Die Nirgendwojagd
ihren Geräuschen und Gerüchen jene Freude bezog, die sie ihr ganzes Leben gekannt hatte.
Sie schnupperte die Luft, fühlte das Sonnenlicht über ihre Haut rieseln, fand Freude am Spiel von Licht und Schatten, an der kühlen Erde unter ihren Füßen.
Sie erreichte das Fieyl-Dorf bei Sonnenuntergang, als die Schatten lang über die Erde krochen und die letzten Fetzen von Mambila eine Zeichnung aus Licht am Horizont waren. Das Dorf war von den Festmahl-Feuern erleuchtet. Der starke Geruch von gebratenen Nuggar erfüllte die Luft, was Roha daran erinnerte, daß sie sehr hungrig war.
Sie ging an den Brat-Gruben und am äußeren Ring der Pfahlbauten vorbei, den Tränen nahe wegen der Vertrautheit all dessen … das Klappern der Trommel einer Gawer und das Singen der Fieyl-Gawer vom Triumph der Schlacht, worauf die Leute mit Geschrei antworteten und sich mit den hohlen Handflächen auf die Brustkörbe schlugen, das Herumwimmeln von Kindern, die sich jagten, miteinander rangen, die Körper glitschig vom Nuggar-Fett.
Ein kleiner Junge sah sie am Rande der Schatten stehen und rief nach seinem Vater. Ein paar Erwachsene drehten sich um. Die Bestürzung breitete sich durch die Menge aus, bis sie alle wußten, wer da stand. Rohas Freude schmolz unter ihren Blicken, doch sie klammerte sich an die Hoffnung und wartete darauf, daß die Männer kamen und sie zu den anderen Amar-Frauen brachten.
Die Menge teilte sich stumm vor der Fieyl-Serk, die zu Roha heranstapfte und vor ihr stehenblieb, eine große, alte Frau mit einem gefurchten, energischen Gesicht. Sie ruckte einen Finger gegen Rohas Brust, berührte sie jedoch nicht. „Sakawa! Geh!”
Roha sah die Angst der Frau und den damit einhergehenden eisigen Haß und sah damit den Tod ihrer Hoffnungen. Nichts war ihr geblieben, überhaupt nichts. Sie wandte sich ab, verließ das Dorf, und zurück blieben Stille und eine vereitelte Feier. Selbst als sie den Wald erreicht hatte, ging sie weiter, da sie den Anblick und den Geruch des Dorfes völlig vergessen wollte. Schließlich kletterte sie in die unteren Äste eines Mat-akuat, der sie an ihren eigenen Mutterleib-Baum erinnerte, knickte kleine Zweige und flocht sie ineinander, um in der Gabelung zweier größerer Äste ein Schlaf-polster zu bilden, rollte sich zusammen und glitt in einen von Träumen heimgesuchten Schlaf hinüber.
Sie träumte von Flammen, die um das graue Dämonen-Ei waberten, es fraßen, träumte von Flammen, die rings um sie her aufstiegen, sie von ihrem Fluch freibrannten, so daß sie rein in die Arme ihrer Dunklen Kusine zurückkehren konnte, die die Welt aus ihrem Mutterleib erschaffen hatte und die Geister der Toten darin festhielt, bis sie im Mutterleib der Welt wiedergeboren wurden. Als der Traum verblaßte, fiel sie in einen tiefen, dumpfen Schlaf, ohne Schmerz und das Gefühl des Verlusts, eingebettet in ein Nichts, das ihrem erschöpften Körper und ihrer gepeinigten Seele Ruhe gab.
Am Morgen, nach dem Erwachen, spürte sie ein Gefühl des Zielbewußtseins in sich wachsen, etwas, das sie verwunderte, bis ihr der Traum wieder einfiel. Sie ließ sich auf die elastischen Luftwurzeln hinunter fallen, preßte das Gesicht an den Stamm. „Sei gesegnet, Dunkle Kusine”, murmelte sie. „Sei gesegnet, weil du mir den Weg gezeigt hast.”
Sie erreichte die Lichtung ihres Dorfes spät am Abend dieses Tages. Ohne auf die verseuchten Körper und die Asche zu achten, rannte sie durch die Scherben dessen, was einmal ihre Heimat gewesen war, und drang in einen der verlassenen Gartenflecken ein. Obwohl die Nuggar den Großteil der Knollen gefressen hatte, fand sie noch genügend und band die harten, knorrigen Wurzeln mit den Rankenfasern zu einem Bündel zusammen, knotete dann aus den gleichen Fasern eine Schlinge dafür und hängte sie sich über die Schulter. Die Sonne ging gerade unter, als sie fertig wurde, aber sie brach trotzdem ins Nebelland auf.
Mit einiger Vorsicht bewegte sie sich den langen, trügerischen Hang hinunter und eilte dann weiter, bis sie sich kaum mehr auf den Füßen halten konnte - verfolgte einen Weg zurück, den ihre Füße ohne Schwierigkeiten zu kennen schienen, obwohl diese Nacht dunkler war als die Nächte vorher, viel dunkler, da Mambila nicht mehr am Himmel leuchtete. Einige Schwebende Geister tanzten über ihrem Kopf, aber sie ignorierte sie einfach, bis sie sich auf einem Grasflekken neben einer kleinen Quelle nieder kauerte, deren Wasser heiß, aber dennoch trinkbar war,
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