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Die Noete des wahren Polizisten

Die Noete des wahren Polizisten

Titel: Die Noete des wahren Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Bolaño
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italienisch, wenn wir ehrlich sein sollen, der ich den Singsang der Huevones Integrales hörte, immer und immer wieder, in den Bussen und in den Restaurants, als wäre ich verrückt geworden, als hätte die Natur, indem sie mein Ohr schärfte, mir etwas Unerhörtes und Unsichtbares mitteilen wollen, der ich in die Kommunistische Partei und in den Verband Fortschrittlicher Studenten eintrat, der ich Pamphlete verfasste und Das Kapital las, der ich Edith Lieberman liebte und heiratete, die schönste und zärtlichste Frau der südlichen Hemisphäre, der ich nicht wusste, dass Edith Lieberman alles verdiente, die Sonne und den Mond und tausend Küsse und noch tausendmal tausend mehr, der ich mit Jorge Teillier gebechert und mit Enrique Lihn über Psychoanalyse diskutiert habe, der ich aus der Partei ausgeschlossen wurde und weiterhin an den Klassenkampf und die Revolution in Lateinamerika glaubte, der ich Literatur an der Universidad de Chile lehrte, der ich John Donne und Stücke von Ben Jonson, Spenser und Henry Howard übersetzte, der ich Proklamationen und offene Briefe linker Gruppen unterschrieb, der ich an den Wandel glaubte, an etwas, das dem ganzen Elend, der ganzen Verkommenheit ein Ende bereiten würde (noch in unschuldiger Unkenntnis darüber, was Elend und was Verkommenheit waren), der ich sentimental war und im Grunde nichts anderes wollte, als mit Edith Lieberman durch hellerleuchtete Straßen zu schlendern, auf und ab, ihre warme Hand in meiner spürend, erfüllt von unserer Liebe, während in unserem Rücken das Gewitter und der Orkan und die Erdbeben der Zukunft Anlauf nahmen, der ich Allendes Sturz vorausgesagt hatte und trotzdem nichts in dieser Hinsicht unternahm, der ich verhaftet und mit verbundenen Augen zum Verhör geführt wurde und die Folter ertrug, während Stärkere als ich einknickten, der ich die Schreie dreier Studentinnen vom Konservatorium hörte, die gefoltert, vergewaltigt und ermordet wurden, der ich mehrere Monate im Konzentrationslager von Tejas Verdes verbrachte, der ich mit heiler Haut davonkam und meine Frau in Buenos Aires wiedertraf, der ich Kontakt zu linken Gruppen hielt, einem Haufen von Romantikern (oder Findesièclern), Revolverhelden, Psychopathen, Dogmatikern, Dummköpfen, aber mutig, nur wem nützte das Mutigsein, und wie lange müssen wir das noch sein?, der ich an der Universität von Buenos Aires unterrichtete, der ich Die grenzenlose Rose von J.M.G. Arcimboldi für einen Verlag in Buenos Aires aus dem Französischen übersetzte und meine angebetete Edith sagen hörte, der Name unserer Tochter sei wohl eine Hommage an den Titel von Arcimboldis Roman und nicht, wie ich ihr versichert hätte, eine Art Reminiszenz an Rosa Luxemburg, ich, der ich meine Tochter in Argentinien lächeln, in Kolumbien krabbeln, in Costa Rica, dann in Kanada die ersten Schritte tun sah, der ich von einer Universität zur anderen zog, Länder aus politischen Gründen verließ und in andere mit Lehrverpflichtungen einreiste, mit den Resten meiner Bibliothek im Gepäck, mit den wenigen Kleidern meiner Frau, deren Gesundheit immer mehr dahinschwand, mit den zwei, drei Spielsachen meiner Tochter, mit meinem einzigen Paar Schuhe, das ich Die Unbesiegbaren nannte, auf dem Leisten eines alten italienischen Schuhmachers im Stadtteil La Boca aus einem wunderbaren Leder geschmiedet, der ich an stickigen Nachmittagen mit den neuen Carboneros Lateinamerikas sprach, der ich Rauch aus einem Vulkan aufsteigen und in einem kaffeebraunen Fluss wasserbewohnende Säugetiere in Frauengestalt herumtollen sah, der ich Frau und Tochter zurückließ und mit einer Guerillaeinheit nach Nicaragua ging, der ich Frau und Tochter nach Managua holte und denen, die mich fragten, an welchen Kämpfen ich teilgenommen hätte, antwortete, an keinen, ich sei immer bei der Nachhut gewesen, hätte aber Verletzte und Sterbende und viele Tote gesehen, der ich ihnen sagte, ich hätte die Augen der Heimkehrer gesehen, und dass so viel Schönheit vermischt mit so viel Scheiße mich während der Dauer der gesamten Operation zum Kotzen brachte, der ich Professor für Literatur in Managua war und keine anderen Privilegien genoss als Seminare zu elisabethanischer Literatur und zur Lyrik von Huidobro, Neruda, De Rokha, Borges, Girondo, Martín Adán, Macedonio Fernández, Vallejo, Rosamel del Valle, Owen, Pellicier anzubieten, im Tausch gegen ein erbärmliches Salär und die Gleichgültigkeit meiner armen Studenten, die auf Messers Schneide

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