Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
im Oberarm. Fluchend wirbelte Francisco herum, übernahm seinen Degen mit der anderen Hand und wollte dem Gegner eben den Todesstoß versetzen, als ihn jemand höchst unsanft von hinten am Kragen packte und regelrecht in die Luft hob.
»Catalina de Erauso! Natürlich«, donnerte die Stimme der Novizinnenmutter und beendete damit Catalinas geistigen Ausflug in die Männerwelt. Von einer Sekunde zur nächsten war sie wieder nur eines der vierunddreißig Mädchen, die hier im Dominikanerkloster Santo Domingo zu San Sebastián auf ein Leben des Gebets und der Besinnung vorbereitet wurden. Ehe sie auch nur eine Silbe zu ihrer Verteidigung hervorbringen konnte, hatte Schwester Asunción ihr auch schon ihren Fechtstock entwunden und drosch damit höchst unchristlich auf ihr Hinterteil ein.
»Nimm das und das!«, rief sie empört. Obwohl der dünne Stoff ihrer Novizinnenkutte die Hiebe kaum milderte, drang kein Laut über Catalinas Lippen. Schließlich war sie eine de Erauso! Trotzdem war sie froh, als der Nonne die Arme erlahmten.
»Das werde ich der Mutter Oberin melden«, drohte ihr jene mit hochrotem Kopf. »Vielleicht glaubt sie mir jetzt endlich, dass du vom Teufel besessen bist. Was sonst sollte eine Novizin dazu bringen, mit Geistern zu fechten?«
»Der Überdruss und das verdammte Einerlei hier!«, presste Catalina tonlos hervor, aber die Schwester hörte es doch und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
»Widerworte, nichts als freche Widerworte, und das seit dem unseligen Tag, an dem deine Eltern dich unserer Fürsorge anvertraut haben! Aber warte nur: Dir komme ich bei! Ich habe noch alle kleingekriegt.«
Catalina hörte kaum hin. Viel zu heiß brannte die Demütigung der Züchtigung noch in ihrer Seele.
»Das zahlst du mir heim«, schwor sie sich. »Irgendwann zahlst du mir das heim.«
Da hörte sie den dumpfen Widerhall von Schwester Euralias Stock auf dem gepflasterten Gehweg des Klostergartens. Sie wandte den Kopf.
»Catalina, Schwester Asunción!« Mühsam kam die gehbehinderte Schwester auf sie zu. Als junge Frau war sie nur wenige Tage vor ihrer Hochzeit mit dem ältesten Sohn eines Granden, eines Angehörigen des spanischen Hochadels, eine Treppe hinuntergestürzt und hatte sich beide Beine gebrochen. Schon nach der ersten Untersuchung durch den Leibarzt ihrer Eltern war klar gewesen, dass sie nie mehr richtig gehen können würde, worauf ihre Eltern sie im Kloster unterbrachten und Euralias jüngere Schwester mit dem einflussreichen Mann vermählten. Anfangs hatte das abgeschobene Mädchen gegen das Leben hinter den hohen Mauern rebelliert, aber dann hatte sie hier Lesen und Schreiben lernen und schließlich sogar Pharmazie studieren dürfen, und als ihre Schwester kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes im Wochenbett starb, war ihr endgültig klar geworden, dass sie das bessere Los gezogen hatte.
Genau dies versuchte sie schon seit Jahren Catalina zu vermitteln: dass ihr Gott geweihtes Leben durchaus Vorteile hatte – zumindest, wenn man nicht gerade wieder einmal von Schwester Asunción bei einer Missetat erwischt worden war.
»Schwester Asunción, ich bitte Euch: Was auch immer Catalina jetzt wieder angestellt hat – lasst Milde walten!«, bat sie ihre Mitschwester. »Ihr kennt sie doch. Sie ist kein schlechtes Mädchen. Es ist nur ihr Temperament, das immer wieder mit ihr durchgeht!«
»Und eben dieses Temperament werde ich ihr austreiben, und zwar ein für alle Mal!« Sie versetzte Catalina einen Stoß. »Los, zur Mutter Oberin! Wollen wir doch einmal sehen, wie lange sich der Teufel in dir hält, wenn du bei Wasser und Brot darbst!«
Notgedrungen stolperte Catalina vor Schwester Asunción her. Noch war die Stunde ihrer Rache nicht gekommen.
Catalina blieb stehen und drückte sich die Hände auf die Ohren. Allmählich hallten ihre Schritte wie Hohnlachen in ihrem Kopf wider, aber jetzt, wo sie stand und nichts weiter als den eigenen Atem hörte, fühlte sie sich auch nicht besser. Diese Stille! Schon seit zehn Tagen drückte sie ihr aufs Gemüt. Zumindest nahm sie an, dass es zehn Tage waren. Tageslicht, mit dessen Hilfe sie das Verstreichen der Stunden hätte abzählen können, drang nicht in ihre Zelle. In das dunkelste und feuchteste Verlies des Klosters hatte man sie gesteckt. In völliger Abgeschiedenheit sollte sie in sich gehen können. Bereuen. Beten. Buße tun. Mit nichts weiter als ihrem Rosenkranz und den Kerzen, die ihr in regelmäßigen Abständen von einer
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