Die Nonne mit dem Schwert (German Edition)
Schrank standen, fand sie nichts weiter als ein paar Trockenerbsen und in den Schubladen nicht viel mehr als Messer, Löffel, eine Schere und Nähzeug.
Armer Hidalgo, dachte Catalina und bekam wegen des entwendeten Brots ein schlechtes Gewissen. Da hörte sie das Schnauben eines Pferdes. Mit zwei Sätzen flüchtete sie in den Alkoven und versteckte sich unter der Bettdecke. Einen Moment lang hörte sie nur ihr wild klopfendes Herz, dann Hufschlag, der sich allmählich entfernte. Erst eine gute Weile später wagte sie sich wieder unter der Decke hervor.
Vom Alkoven aus fiel Catalinas Blick auf ein paar Kleider, die an der gegenüberliegenden Wand hingen: eine Hose, ein Hemd und ein Wams. Besser hätte sie es kaum treffen können: Als Junge verkleidet würde sie ganz sicher niemand erkennen! Sie besah sich die Sachen von allen Seiten, fand sie schmutzig und zerschlissen, aber in ihrer Lage konnte sie nicht wählerisch sein. Sie steckte auch noch die Schere und das Nähzeug ein und verließ das Haus ebenso leise, wie sie es betreten hatte.
Die Hose war Catalina viel zu lang und flatterte um ihre mageren Beine; um das rahmfarbene Hemd und das Wams stand es nicht besser, doch das konnte sie nicht entmutigen. So sehr sie in ihren Jahren im Kloster die Arbeit in der Gewandschneiderei gehasst hatte, so eifrig machte sie sich jetzt daran, die Kleider enger zu machen, und noch ehe die Sonne an ihrem höchsten Punkt stand, hatte sie die neuen Sachen bereits angezogen. Es war ein seltsames Gefühl, statt ihres rauen, körperlosen Gewands eine direkt an der Haut anliegende Hose zu spüren. Und wie leicht das Hemd und der Wams gegen den schweren Stoff der Kutte wogen! Catalina wirbelte im Kreis herum, genoss die ungewohnte Beinfreiheit, machte ein paar ausgelassene Sprünge, riss vom nächsten Baum einen Zweig ab und focht damit übermütig auf eine Hecke ein, bis ihr eine Strähne ihres Haares vor die Augen fiel. Erschrocken hielt sie inne. Jungs hatten doch keine langen Haare! Ohne mit der Wimper zu zucken holte Catalina wieder die Schere hervor und schnitt sich ihr Haar ringsum fingerlang ab. Danach hob sie die Hand, befühlte die stachelig hochstehenden Haare und fand, dass sie sich seltsam anfühlten, aber doch auch irgendwie mehr zu ihr zu gehören schienen denn je. Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht.
4
B ilbao, Santander, Burgos, Vitoria, Pamplona … Süßer als die köstlichsten hojaldres und vasquitos der Köchin ihrer Eltern zergingen Catalina die Namen der San Sebastián umgebenden Städte auf der Zunge. Sie brauchte nur loszulaufen. Es war unglaublich, wie frei sie war. Sie entschied sich für die Stadt Vitoria, von der ihr großer Bruder Miguel manchmal erzählt hatte. Sie hoffte, dort als Page unterkommen zu können, wagte aber noch nicht, diesen Gedanken weiterzuspinnen. Zu groß war ihre Angst, dass andere sie trotz ihrer Jungenkleider sofort als Mädchen entlarven könnten. Catalina sah sich um. Sie wusste, dass Vitoria südlich von hier, im Landesinneren lag. Aber in welcher Richtung war Süden? Catalina sah nach rechts und links und fühlte sich verloren. Da erinnerte sie sich daran, dass Miguel ihr einmal etwas über den Zusammenhang von Tageszeit, Sonnenstand und Himmelsrichtung erklärt hatte. »Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen wird sie untergehn, im Norden ist sie nie zu sehen.« Es musste jetzt kurz nach Mittag sein. Die Sonne schien ihr direkt ins Gesicht, unsicher schritt Catalina ihr entgegen.
Über zwei Stunden lief Catalina durch Wiesen, Felder und Wälder, ängstlich darauf bedacht, keiner Menschenseele zu begegnen. Längst taten ihr die Füße weh, aber sie zwang sich, weiter einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als sie auf eine Wiese mit Apfelbäumen kam, hatte sie das Gefühl, die gleiche Wiese vor einer Weile schon einmal überquert zu haben, und fragte sich, ob sie im Kreis gelaufen war. Erschrocken ging sie weiter. Auch der Wald dahinter kam ihr bekannt vor. Als Catalina kurze Zeit später auf einen Weg stieß, beschloss sie, erst einmal auf ihm zu bleiben. Auch wenn sie weiter Angst davor hatte, dass sie jemandem begegnen könnte, der in ihr trotz ihrer Verkleidung die entflohene Novizin erkennen würde, musste sie jemanden nach dem Weg fragen.
Kurze Zeit später kam ihr ein Heuwagen entgegen. Catalina versteckte sich hinter einem Baum. Als der Wagen näher kam, sah sie, dass darauf ein müder, alter Mann saß. Selbst wenn der Bauer wusste, dass
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