Die Nonne und die Hure
seid aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zu uns gekommen. Was hat Euchbewogen, Euch mit diesem Verleger einzulassen, sogar für ihn zu arbeiten?«
Hans stand in seiner Schlaksigkeit da.
»Ich bin in einem freien Geist erzogen worden«, sagte er und lächelte den Richter an. Seine Bernsteinaugen funkelten. »Ich bin ein Weltreisender, bin überall zu Hause. Die Arbeit der Verleger in Venedig hat mich interessiert, also habe ich mich bei einem von ihnen, und das war Brinello, als Drucker verdingt.«
»Wisst Ihr nicht, dass der Buchdruck Unglauben und Abtrünnigkeit von einem gottgefälligen Leben in die Welt gebracht hat?«
»Für mich hat der Buchdruck es überhaupt erst dem Volk ermöglicht, sich eine eigene Meinung zu bilden«, entgegnete Hans.
»Ich sehe schon, Ihr seid genauso verstockt wie die anderen«, versetzte der Inquisitor.
Jetzt bin ich an der Reihe, dachte Celina. Die Knie wurden ihr weich.
»Celina Gargana, tretet vor.«
Sie straffte sich und ging hoch erhobenen Hauptes zum Richtertisch. Die anderen hatten sich so wacker geschlagen, da durfte sie nicht versagen.
»Celina Gargana, Tochter des Luigi und der Palladia Gargana, verwandt mit Eugenio Gargana, einem hochangesehenen Mitglied unseres Rates, wie kamt Ihr dazu, ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen, das in hinterhältigster Weise unseren ehrbaren Rat, die Äbte und Äbtissinnen der Klöster, sogar unseren Dogen selbst beschuldigt?«
Celina atmete tief durch. »Die Kurtisane Tullia d’Aragona, deren Bücher nicht verboten worden sind, und die Werke von Dante und Petrarca haben mich dazu bewogen, überhaupt etwas zu schreiben. Gerade dieses Buch zu verfassen, haben mich meine Erlebnisse in einem Kloster dieserStadt und die merkwürdigen Todesfälle der letzten Zeit veranlasst.«
Der Inquisitor räusperte sich und schaute auf die anderen Inquisitoren. Die saßen wie versteinert auf ihren Plätzen.
»Fahrt mit der Verhandlung fort«, sagte der Schreiber. Celina glaubte ein Lächeln in seinen Mundwinkeln zu entdecken.
»Das sind die verquasten Ergüsse einer Frau, die nicht weiß, was um sie herum vorgeht«, sagte der Richter mit einem verächtlichen Schnauben. »Warum habt Ihr Euch dazu bereit erklärt, die von Brinello gedruckten Flugblätter zu verteilen?«
»Weil ich wollte, dass die Wahrheit ans Licht kommt!«
»Welche Wahrheit?«
»Über die Todesfälle, über die Machenschaften in den Klöstern und schließlich auch die Verstrickung hoher Würdenträger in die Angelegenheit, einschließlich meines Onkels Eugenio, der mich um mein Erbe betrogen hat.«
»Das ist ungeheuerlich, was Ihr hier vorbringt«, brüllte der Inquisitor. Die Zornesadern an seinen Schläfen traten hervor, seine Augen waren weit aufgerissen. Die anderen Inquisitoren und der Schreiber waren aufgesprungen.
»Meint Ihr vielleicht, dass selbst unser Doge Priuli …«
»Ich gestehe ihm zu, dass er von alledem nichts wusste oder es vielleicht nur ahnte«, sagte Celina in gelassenem Ton.
»Man sollte euch alle auf der Stelle hängen!«, brüllte der Inquisitor.
Als hätte jemand gerufen, ging in diesem Moment die Tür des Saales auf. Herein traten der Abt Murare und der Ratsherr Immuti.
32.
Die Köpfe der Anwesenden fuhren herum. Dem Inquisitor blieb der Mund offen stehen. In der nun einsetzenden Stille schritten Immuti und Murare zum Richtertisch vor.
»Der Senat hat mich in einer Eilentscheidung ermächtigt, ausnahmsweise in eine laufende Verhandlung einzugreifen«, sagte Immuti. »Hier ist die Erlaubnis.« Er legte ein Papier vor den Inquisitor hin.
»Was habt Ihr vorzubringen?«, fragte der Inquisitor.
»Der Mann hier an meiner Seite, der ehrwürdige Abt Murare vom Kloster der Insel Torcello, ist bereit, zugunsten der Angeklagten auszusagen.«
Etwas löste sich in Celina. Jetzt würde endlich die Wahrheit ans Tageslicht kommen!
»Ich dulde so etwas nicht, das ist ein Vertrauensbruch gegenüber der Römischen Inquisition!«, polterte der vorsitzende Inquisitor.
»Im Rahmen unseres Rechtes haben die Delinquenten durchaus Anspruch auf Zeugen, die sie entlasten können«, sagte einer der anderen Inquisitoren.
»Also, dann bringt vor, was Ihr zu sagen habt, aber fasst Euch kurz«, sagte der erste Inquisitor zu Murare gewandt.
»Ich habe lange Zeit mit mir gerungen, ob es richtig ist, was ich hier tue. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es Gottes Wille ist. Ich kann meine Augen nicht länger verschließen, kann nicht länger
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