Die Nonne und die Hure
schweigen zu dem, was ich in den letzten Monaten erfahren habe.«
»Kommt zur Sache!«, herrschte ihn der Inquisitor an.
»Lasst ihn sprechen«, warf der Schreiber ein.
Er ist mutig, ging es Celina durch den Kopf, aber er hatte ja ein gewisses Mitspracherecht.
»Vor nicht allzu langer Zeit«, fuhr Murare fort, »kam eine junge Nonne des Klosters Convertite zu mir in den Beichtstuhl. Was sie mir zu berichten hatte, war ungeheuerlich. Der Abt Cornelli, allen hier wohlbekannt, hat jahrelang seine ihm anvertrauten Nonnen missbraucht, auf alle erdenkliche Weise gequält und an reiche Herren vermietet, um selbst in Saus und Braus zu leben. Die Schwere dieser Tat wird deutlich, wenn man bedenkt, wie eifrig er nach außen hin die Befolgung der Regeln des heiligen Benedikt forderte. Es müssen in den letzten neunzehn Jahren mehr als vierhundert junge Frauen gewesen sein.«
»Dafür braucht Ihr Beweise«, sagte der Inquisitor mit einem selbstzufriedenen Lächeln.
»Die bekommt Ihr noch – keine Sorge«, meinte Murare. »Über diese Freveltat hinaus gibt es ein weiteres Delikt, das ich hiermit zur Anzeige bringe. Das Ratsmitglied Eugenio Gargana hat in betrügerischer Absicht einen Brief gefälscht, um das Erbe der hier anwesenden Celina Gargana an sich zu bringen. Sie selbst hat er in ein Kloster abgeschoben. Ich zeige ihn an wegen Betrugs und der zwangsweisen Unterbringung seiner Nichte in einem Kloster.«
Die Anwesenden begannen erregt miteinander zu murmeln.
»Hier ist der Brief, den ein Erpresser an Eugenio Gargana geschrieben hat«, sagte Murare und legte das Schriftstück auf den Richtertisch. »Und versucht nicht, ihn beiseitezuschaffen: Einer meiner Mönche hat eine Abschrift davon gemacht. Und nun zu meinem Beweisstück in der anderen Sache.«
Immuti ging zur Tür und öffnete sie. Herein kamen zwei junge Nonnen, die verlegen die Augen niederschlugen.
»Erzählt dem Inquisitor, was Euer Abt Cornelli mit Euch gemacht hat«, sagte Murare.
»Er hat während der Beichte eine Hand in meinen Schoß gelegt und sie da herumgedreht und mich gefragt, was ich dabei empfinde«, sprach die eine mit leiser Stimme. Sie stockte, räusperte sich und fuhr fort: »Als ich mich gegen ihn wehrte, lobte er meine Standhaftigkeit. Ein paar Tage später jedoch sperrte er mich ein, schloss mich an Ketten, schlug mich und quälte mich so lange, bis ich seiner Begierde nachgab.«
»Wie verhielten sich die anderen Nonnen?«, fragte Murare.
»Viele von ihnen waren zu zart, um das Martyrium und die Härte des Gefängnisses, welches das Kloster für sie geworden war, zu überstehen. Sie brachten sich um, indem sie Gift nahmen. Diejenigen, die ihm zu Willen waren, würden nicht reden, das wusste er. Die anderen hat er einfach weggeschlossen.«
»Was für Gift nahmen die Nonnen?«
»Schierling, Tollkirsche, alles, was sie in die Finger kriegten.«
»Was geschah mit Nanna Tarabotti?«
»Sie wurde von einem gedungenen Mörder erwürgt und in den Kanal geworfen«, sagte die Nonne und hüstelte. Es war ihr sichtlich peinlich, über diese Dinge zu reden. Der anderen Nonne liefen die Tränen über die Wangen.
»Und was hast du über den Abt Cornelli auszusagen?«, wandte sich Murare an die andere Nonne. Sie schluchzte auf. »Während des Sommers ließ er uns sich nackt ausziehen und zu dem überdachten Bereich am Meer gehen. Dort ist auch unsere Gondel untergebracht. Er suchte sich die schönsten unter uns aus und verschwand mit ihnen in Richtung seiner Gemächer.«
»Hat er euch auch an andere Männer vermietet?«
»Jawohl, das hat er, und er aß Fasane und Rebhühner und trank kostbare Weine, und einer seiner Räume, den nie jemand von außerhalb zu Gesicht bekam, war angefüllt mit Süßigkeiten und Kostbarkeiten, die er den Nonnen abgenommen hatte.«
»Wie lange ging das so? Und wie viele Nonnen waren es, die unter seiner Tyrannei litten?«
»Andere haben mir erzählt, dass es schon seit neunzehn Jahren so geht. Es waren, glaube ich, so dreihundert bis vierhundert Nonnen. Die Priorin von Convertite und die Äbtissin von San Zaccaria standen auf seiner Seite.«
»Wie könnt Ihr den gewissenlosen Anschuldigungen dieser verderbten Frauen Glauben schenken?«, entrüstete sich der Inquisitor. »Es ist doch allgemein bekannt, dass Convertite ein Kloster für reuige Prostituierte und andere gefallene Mädchen ist!«
Murare zog seinen letzen Trumpf, einen Brief, aus der Tasche.
»Hier habe ich den letzten Beweis. Es ist ein Schreiben
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