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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Heute noch. Und Ihr, ehrwürdiger Abt Murare, müsst gegen Lion und möglicherweise auch gegen andere aussagen. Fühlt Ihr Euch dazu in der Lage?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der Abt mit schwacher Stimme. »Aber ich werde Gott darum bitten, mich darin zu unterstützen.«
    Die Sala del Consiglio dei Dieci, der Saal des Zehnerrates im Dogenpalast, war voller Menschen. Die Nobili der Stadt hatten sich mit ihren Kurtisanen versammelt, alle in Samt, Seide und Brokat und mit dem unvermeidlichen Barett auf dem Kopf. Die Damen fächelten sich Luft zu. Celina entdeckte Andriana in Begleitung eines gutaussehenden Herrn. Die Männer des Zehnerrates, auch sie in der Kleidung der Adligen, saßen in einem Karree um denTisch der drei Inquisitoren, die in rote Umhänge gehüllt waren.
    Celinas Blick wanderte hinauf an die Decke, als ob sie sich bei den Bildern Hilfe und Stärkung holen könnte. Sie hatte das eine Bild schon einmal gesehen: »Jupiter schleudert Blitze aus dem Himmel« von Paolo Veronese. Aus graugelben und weißen Wolken stürzten kräftige Gestalten herab, mit roten und blauen Tüchern umweht. Es sollte die gnadenlose Bestrafung der Sünden darstellen, ein Göttergericht.
    Gott, ich bete zu dir, dass die wirklichen Sünder bestraft werden! Vorerst sah es jedoch nicht danach aus. Die Menge beäugte sie und ihre Gefährten unverhohlen, manche mit einem Ausdruck von Hass in den Augen. Woher kam dieser Hass? Und worum würde es eigentlich gehen in dieser Verhandlung? Sie hatten sich freiwillig gestellt, das müsste doch als Zeichen des guten Willens gewertet werden. Dagegen standen die Bücher Brinellos, die deutschen Werke, die Christoph über die Alpen gebracht hatte, das Bekenntnis von ihr, Celina, und schließlich ihre Widersetzlichkeiten einschließlich der Flucht aus dem Gefängnis. Ob die Ankläger es wagten, auf die Flugblätter zu sprechen zu kommen, war ungewiss. Wer von den Anwesenden hatte eines davon gelesen? Ihre Mienen waren undurchdringlich.
    Einer der Inquisitoren stand auf. »Hiermit ist die Verhandlung gegen die vier Angeklagten eröffnet. Ernesto Brinello, Hans Leublin, Christoph Pfeifer, Celina Gargana, alle zurzeit wohnhaft in Venedig, erhebt Euch.«
    Die Angeredeten erhoben sich von ihren Plätzen.
    »Angeklagte, Euch wird zur Last gelegt, verbotene Bücher geschrieben, vertrieben und aus Deutschland in unsere Stadt gebracht zu haben. Dass Ihr Euch freiwillig gemeldet habt, spricht zu Euren Gunsten. Nicht zu Euren Gunsten spricht, dass Ihr Flugblätter mit ungeheurenAnschuldigungen gegen einen Abt, gegen den Zehnerrat und sogar den Dogen selbst geschrieben und verteilt habt.«
    Ein Aufseufzen ging durch die Menge.
    »Ebenfalls gegen Euch spricht, dass Ihr aus dem Gefängnis ausgebrochen seid. Das war ein Schuldeingeständnis!« Die Augen des Inquisitors funkelten bedrohlich.
    »Denkt an die Einhaltung des Verfahrens«, sagte ein junger Mann mit dunklen Lockenhaaren, auf denen eine Kappe saß. Das Papier auf seinem Pult, Schreibfeder und Tintenfass wiesen ihn als Schreiber aus. »Es sind keine verbotenen Bücher bei den Angeklagten gefunden worden. Wir haben lediglich Bekundungen der Sympathie für die verbotenen Autoren von ihnen gehört.«
    »Angeklagte, sprecht mir nach«, fuhr der Inquisitor fort. »Ich werde nichts sagen als die Wahrheit, so wahr mir Gott helfe, Amen.«
    Die vier Angeklagten sprachen die Worte im Chor nach.
    »Bei der eigentlichen Befragung muss die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden«, erinnerte der Schreiber.
    »Die Öffentlichkeit wird hiermit ausgeschlossen«, rief der Inquisitor. »Ihr könnt im Hof warten. Zur Urteilsverkündung werdet ihr wieder geholt.«
    Unter Scharren, Schlurfen und Murren verließen die Leute den Saal. Manch heimlicher Blick wurde auf die Angeklagten geworfen, und gar nicht ohne Wohlwollen, wie Celina feststellte.
    »Fangen wir an mit Euch, Christoph Pfeifer.«
    Christoph trat vor den Richtertisch.
    »Was war Euer Ansinnen, als Ihr verbotene Bücher aus Deutschland nach Venedig gebracht habt?«
    »Es waren meine Studienbücher. Sie gehörten zu meinen persönlichen Dingen, als ich aufbrach.«
    »Hattet Ihr nicht einen Auftraggeber oder sogar mehrere?Seid Ihr nicht aus Frankreich herübergekommen, um die Irrlehren der Hugenotten zu verbreiten?«
    »Als ich aus Frankreich kam, war ich noch ein Kind«, sagte Christoph.
    »Aber später wart Ihr sehr wohl in der Lage, Recht von Unrecht zu unterscheiden«, entschied der Inquisitor.
    »Das lasse ich

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