Die Nonne und die Hure
nicht gelten«, mischte sich der zweite Inquisitor ein. »Er muss abschwören! Alle müssen abschwören.«
»Fahrt mit der Verhandlung fort«, beschied der dritte Inquisitor, an den ersten gewandt.
»Was für Bücher waren das, die Ihr in Eurem persönlichen Besitz hattet?«, fragte er.
»Von Luther ›Die Freiheit eines Christenmenschen‹, Melanchthons ›Confessio Augustana‹ und das ›Traktat über die Gewalt und den Primat des Papstes‹, Calvins Genfer Katechismus.
»Wisst Ihr nicht, dass diese Bücher auf dem Index der verbotenen Bücher stehen?«
»Wisst Ihr nicht, dass nach diesen Büchern in deutschen Universitäten gelehrt wird?«, gab Christoph zurück.
Der Inquisitor schluckte. Er hatte wohl ein demütigeres Betragen erwartet.
»Wer hat Euch den Auftrag gegeben, die Bücher über die Alpen zu bringen?«, fragte der zweite Inquisitor in scharfem Ton.
»Ich habe mich ganz allein entschieden, sie mitzunehmen.«
»Da Ihr leugnet, werden wir die peinliche Gerichtsordnung zu Rate ziehen müssen«, sagte der Inquisitor. »Ihr könnt Euch setzen. Schreiber, habt Ihr alles notiert?«
Der Schreiber bejahte.
»Ernesto Brinello, tretet vor«, befahl der Inquisitor Der Verleger ging gemessenen Schrittes zum Tisch des Richters und sah ihm in die Augen.
»Ihr habt verbotene Bücher drucken lassen und vertrieben«, sagte der Inquisitor mit schneidender Stimme. »Überdies habt Ihr Flugblätter gedruckt und verteilen lassen, mit denen Ihr euch des Hochverrats schuldig macht. Deswegen allein solltet Ihr schon gepfählt und verbrannt werden. Bereut Ihr Eure Taten? Schwört Ihr den Irrlehren ab?«
»Die Beweismittel«, warf der Schreiber ein.
»Belehrt zunächst einmal die Angeklagten darüber, wie es zum Index der verbotenen Bücher kam«, war die Antwort des Inquisitors.
»Papst Paul III. ernannte im Jahre 1542 mit der Bulle Licet ab initio sechs Kardinäle zu General-Inquisitoren und schuf damit die Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis . Grund dafür waren die unterschiedlichen Meinungen darüber, welche Bücher an den Universitäten erlaubt seien und welche nicht. Wichtigstes Mittel dieser notwendigen Zensur ist der Index Librorum Prohibitorum .«
»Welche Bücher fallen darunter?«, wollte Brinello wissen.
»Darüber schweigt ein frommer Christ lieber, aber wenn Ihr es so wollt: unter anderem Machiavelli, Luther, Boccaccio …«
»Und wie kommen die Bücher auf den Index?«
»Das Verfahren beginnt mit der Anzeige eines Buches; manchmal genügt schon der protestantische Druckort. Der Sekretär der Kongregation, einem Glaubensverband, prüft mit zwei Gutachtern, ob ein Zensurverfahren eingeleitet wird. Diese Gutachten werden von den Konsultoren ausgewertet und in einer Versammlung beraten. Der Beschluss wird dem Kardinalsgremium der Inquisition vorgelegt. Die Kardinäle schließlich entscheiden über das Verbot.«
»Ihr solltet den Angeklagten auch gleich über die Strafenberichten, die das Verfassen, der Besitz oder das Verbreiten verbotenen Gedankenguts nach sich ziehen«, brummte der Inquisitor.
»In geringfügigen Fällen wird der Delinquent dazu verurteilt, eine Messe lesen zu lassen, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land anzutreten oder eine Buße zu zahlen. In den schwereren Fällen droht die Verbannung, Gefängnisstrafen für immer oder der Tod durch Pfählen, Abschlagen des Kopfes oder Verbrennen.«
Celina merkte, dass ihr der Schweiß aus allen Poren brach. Würden sie angesichts dieser bedrohlichen Lage bestehen können, würden sie überhaupt mit dem Leben davonkommen?
»Bereut Ihr Eure Taten?«, brüllte der Inquisitor nun Brinello an. »Schwört Ihr der Irrlehre, die Euch auf unrechte Wege geführt hat, ein für alle Mal ab?«
»Es kann nicht Unrecht sein, was ich selbst und die größten Geister unserer Zeit als Recht erkannt haben«, antwortete Brinello.
»Ein verstockter Ketzer«, grummelte der Inquisitor. Die beiden anderen Richter nickten mit grimmigen Mienen. Der Schreiber tauchte die Feder in das Tintenfass und schrieb.
»Abtreten«, befahl der Inquisitor mit unheilverkündender Stimme. »Wie wäre es, wenn wir jetzt eine Pause machen und uns für den weiteren Lauf der Verhandlung erst einmal kräftig stärken?«
»Die Vernehmung der beiden anderen Angeklagten muss erst abgeschlossen sein«, bemerkte der Schreiber.
»Wenn’s denn sein muss«, sagte der Inquisitor mit einem Seufzen. »Hans Leublin, tretet vor.«
Hans tat, wie ihm geheißen.
»Hans Leublin, Ihr
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