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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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den Zuhörern. Ein Mönch begann die Anklageschrift zu verlesen.
    »Der Dominikanerpriester Giacomo Teneri wird beschuldigt …«
    »Halt!«, erschallte ein Ruf aus dem Publikum. Alle Köpfe wandten sich zum Dogen Priuli, der aufgesprungen war und wild gestikulierte. »Ich verbiete, dieses Stück weiterhin aufzuführen. Es ist eine Beleidigung unserer Serenissima!«
    Das Publikum murrte und scharrte mit den Füßen. Die Äbtissin eilte auf die Bühne und wies die Nonnen an, die Kulissen abzubauen. Dann wandte sie sich entschuldigend an die Anwesenden.
    »Das Stück wurde von den Nonnen selbst entwickelt und ausgeführt«, sagte sie. »Ich übernehme keinerlei Verantwortung dafür. Bis auf weiteres sind Aufführungen in diesem Kloster verboten.«
    Als die Menge sich langsam zerstreute, schaute Celina sich nach Nanna um. Sie war ebenso wie der Dicke verschwunden. Celina setzte sich auf eine Bank und betrachtete die Menschen im Saal. Die Nonnen waren mit dem Aufräumen der Kulissen beschäftigt, unterstützt von Mönchen, die mit ihnen scherzten und sangen. Ein paar Insassinnen des Klosters hatten sich wieder zum Kartenspiel mit den Nobili, den Adligen, niedergelassen. In einer Ecke spielte ein dunkellockiger Jüngling auf einer Laute, umringt von Gleichgesinnten. Eine Hand berührte Celinas Ärmel. Christoph stand vor ihr, schaute ihr in die Augen.
    »Darf ich Euch wiedersehen, Celina?«, fragte er.
    »Das wird kaum möglich sein«, sagte sie. »Aber vielleicht ist es uns vergönnt, uns während des Karnevals noch einmal zu begegnen.«

11.
    Sie fühlte sich verwirrt, und es schien ihr, als sei sie seit der Nachricht vom Unglück ihrer Eltern nicht zur Ruhe gekommen. Das Theaterstück hatte sie zutiefst aufgewühlt. Das war alles nicht erfunden, es steckte mehr als ein Körnchen Wahrheit darin. Wer hatte sich das ausgedacht? Dass die Nonnen sich nicht an die Regeln hielten, insbesondere während des Karnevals, war ihr schon länger bekannt gewesen. Doch warum sollte sich eine junge Frau wie Nanna, die so überzeugend eine Nonne im Zwiespalt ihrer Gefühle gespielt hatte, selbst für ihre Sünden geißeln? War sie überhaupt sündig?
    Celina schickte sich an, das Besucherzimmer zu verlassen. Gedankenverloren strich sie mit der Hand an der Wand entlang. In Augenhöhe war ein Loch in dieser Wand angebracht. Celina wollte nicht hineinschauen, sie hatte das dunkle Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Aber etwas zwang sie regelrecht, ihr Gesicht nahe an den Spalt zu bringen. Noch einmal schreckte sie zurück, schaute sich vorsichtig im Zimmer um. Alle waren mit irgendetwas beschäftigt, keiner schaute zu ihr her. Sie blickte durch das Loch. Was sie sah, trieb ihr die Schamröte ins Gesicht. Sie wollte weglaufen, aus dem Kloster heraus, nur weg von diesem Ort, der sie mit immer neuen, ihr befremdlichen Szenen konfrontierte. Aber etwas hielt sie magisch an ihrem Platz fest. Sie sah die Äbtissin Suor Mathilda auf dem Boden liegen, das Gesicht zu einer schmerzlichen Fratze verzerrt. Ihre Röcke hatten sich hochgeschoben. Auf ihr saß ein Mann in schwarzer Mönchskleidung, der sich hin und her bewegte und dabei tierische Laute ausstieß.Es klang wie das Knurren eines Wolfes, dann wieder wie das Hecheln eines Hundes. »Avanti, avanti!«, rief die Äbtissin mit hoher, fremder Stimme.
    Celina zwang sich, von dem Guckloch wegzutreten. Nie wieder würde sie dieser Frau in die Augen sehen können. Wer wohl der Mann gewesen sein mochte? Sie beschloss, mit niemandem ein Wort über ihre Beobachtung zu sprechen. Doch es war ein Grund, so bald wie möglich diesem Kloster zu entkommen, hinter dessen Mauern sich so unerhörte Dinge abspielten. War es das, was die Menschen »Liebe« nannten? Sie hatte draußen auf dem Land schon Pferde gesehen: Dem Hengst hing ein langer schwarzer Schlauch unter dem Bauch heraus, und er stieg von hinten auf die Stute und biss sie in die Mähne. Die Stute stand still, drehte den Kopf so zur Seite, dass sie den Hengst ansehen konnte. Es schien ihr jedoch eher unangenehm zu sein. Seit diesem Erlebnis hatte Celina von einer reinen, unbefleckten Liebe geträumt; nächtelang hatte sie bei Kerzenschein Gedichte von Petrarca gelesen und wäre gern Laura, die Angebetete des Dichters, gewesen.
    Bleigraue Wolken zogen über das Kloster hin, nur ab und zu öffneten sie sich einen Spaltbreit, um die Strahlen der Sonne durchzulassen. Der Frühling war in diesem Jahr ungewöhnlich früh gekommen. In den Gärten brachen

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