Die Nonne und die Hure
vergehen.«
Dröhnendes Gelächter erhob sich.
»Nein«, sagte Lukas. Seine Augen funkelten fanatisch. »Es steht mehr auf dem Spiel: unser aller Glaube! Wir können das, was der Papst in Rom treibt, nicht mehr tatenlos mit ansehen. Er macht es nicht anders als die Männer, von denen eben die Rede war. Wir müssen Nägel mit Köpfen machen.«
»Wie willst du diese Bande unter einen Hut bringen?«, kam es zurück.
»Ich würde diesen Priester und seine Handlanger vor ein Tribunal stellen – ihm öffentlich den Prozess machen«, beharrte Lukas. »Stellvertretend für alles Verderbte, Verlogene und Böse unserer Zeit.«
»Hoho«, drang es aus dem Publikum. Celina bemerkte, dass der Doge unruhig auf seinem Platz hin- und herrutschte.
Hinter der Klostermauer waren Waffenklirren und Geschreizu hören. Die Mönche im Garten standen wie erstarrt. An der Pforte krachte es, man versuchte, das Tor zu sprengen. Jetzt kam Bewegung in die Gruppe: Wie aufgescheuchte Hühner rannten sie in alle Richtungen davon. Einige versuchten, über die Gartenmauer zu klettern. Das Tor wurde aufgebrochen, und die Häscher, im roten Ornat der Inquisition, setzten ihnen nach. Sie schossen mit Armbrüsten auf die Fliehenden und metzelten die Nächststehenden mit ihren Schwertern nieder. Lukas und Lukrezia wurden gefangen genommen und an den Händen gefesselt abgeführt. Im Publikum herrschte atemlose Stille; der Samtvorhang fiel über der gespenstischen Szene im Garten. Kaum hatten sich die Anwesenden von ihrem Schock erholt, hob sich der Vorhang erneut. Lukas und Lukrezia saßen in einer Zelle, deren Boden mit Stroh bedeckt war. Durch ein winziges Fenster fiel Tageslicht herein.
»Ich habe Angst«, schluchzte Lukrezia. »Was werden sie mit uns machen?«
»Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist die peinliche Befragung. Aber ich glaube nicht, dass es so weit kommen wird. Gottes Gerechtigkeit wird sich wieder einmal als stärker erweisen.«
»Meinst du … Daumenschrauben, die Eiserne Jungfrau und dieses grässliche Folterzeug?«
»Sei ruhig, Lukrezia, es wird alles gut.«
Die Zellentür drehte sich quietschend im Schloss. Der Priester, in der Tracht des Dominikanerordens, trat ein. Er trug eine weiße, gegürtete Tunika, ein helles Skapulier und einen schwarzen Kapuzenmantel.
»Ich komme, euch die letzte Beichte abzunehmen«, sagte er und hielt den beiden am Boden Kauernden ein silbernes Kruzifix entgegen. »Morgen werdet ihr den Tod durch das Schwert erleiden.«
Ein Stöhnen ging durch die Reihen der Zuschauer.
»Womit haben wir das verdient?«, begehrte Lukas auf.
»Ihr habt Unzucht begangen mit einer Nonne und sie dann entführt«, sagte der Priester mit Grabesstimme. »Der Rat der Zehn drückt zwar bis jetzt ein Auge zu, aber nach unseren Regeln hat sogar der Gondoliere verdient, in der Hölle zu schmoren.«
»Bindet mich für einen Moment los«, sagte Lukrezia. Sie versuchte, das Zittern ihrer Stimme zu verbergen. »Ich möchte das Kreuz in den Händen halten und Euch die Füße küssen, ehrwürdiger Vater, und zum Zeichen der Vergebung sollt ihr mir die rechte Hand auf den Kopf legen.«
»Büßest und bereust du aus tiefstem Herzen?«
»Ja, ehrwürdiger Vater.«
»Ausnahmsweise«, sagte der Dominikaner. »Aber der Mann bleibt in seinen Fesseln.« Er löste den Strick von Lukrezias Händen.
»Was hast du da für eine reizende Kette?«, fragte er.
Lukrezia fasste sich an den Hals, um den eine Silberkette mit einem Kreuz geschlungen war. »Ihr sollt sie haben«, sagte sie und rutschte auf dem Boden zu ihm heran. Im Publikum war eine so große Stille, dass man das Rascheln des Strohs auf der Bühne hören konnte. Lukrezia neigte den Kopf, um die Füße des Priesters zu küssen. Plötzlich schrie der Mönch auf, wankte und schlug dann der Länge nach auf den Boden. Lukrezia hatte ihm buchstäblich die Beine von der Erde gerissen. Schnell legte sie dem Henkersknecht ihre eigenen Fesseln an, steckte ihm einen Zipfel des Skapuliers als Knebel in den Mund, befreite zunächst ihre Füße, dann löste sie die Stricke von Lukas’ Händen und Beinen. Ohne sich noch einmal umzusehen, stürzten sie hinaus. Als Mönche verkleidete Nonnen, die das Massaker im Klostergarten überlebt hatten, eilten herein und trugen den gefesselten Priester hinweg. Der Vorhang fiel noch einmal. Heftige Geräusche waren auf derBühne zu hören. Der Priester saß im grauen Büßergewand vor einem Tribunal von Mönchen. Lukas und Lukrezia waren unter
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