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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sinnend auf die Lagune hinaus. Das Licht wurde bläulich-golden; schlankeFische sprangen aus dem Wasser, um gleich wieder einzutauchen. Der Reiher an der Brenta fiel ihr ein. Fressen und Gefressenwerden. Ist der Mensch zu etwas anderem geboren als die Tiere?
    »Tullia sagte, diejenigen, deren Liebe endet, seien in Wahrheit keine Liebenden. Ihre Sehnsucht sei unendlich, ihre Gefühle gleichzeitig. Sie werden niemals satt von ihrer Liebe.«
    »Ein Ziel verleiht jedem Ding Bewegung«, sagte Christoph. »Aber die Liebe muss doch nicht aufhören, wenn man am Ziel ist.«
    Er blieb ebenfalls stehen und schaute ihr in die Augen. Wärme durchflutete Celina.
    »Die ›niedrige‹ Liebe besteht darin, dass man den anderen besitzen will«, meinte sie. »Und der Grund dafür ist, dass ihr Leidenschaft zugrunde liegt und nicht Vernunft.«
    »Dann wollen wir also recht vernünftig sein«, witzelte Christoph und lachte.
    Celina stimmte ein. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Ist das nun ehrenhaft oder unehrenhaft?«, fragte sie.
    »Deine Hand auf meinen Arm zu legen? Unehrenhaft, hoffe ich doch.«
    »Jetzt bleib bitte ernst! Die unendliche Liebe kommt niemals ans Ziel, ihre Triebkraft ist die Einbildungskraft.«
    »Ich bilde mir ein, von dir geliebt zu werden.«
    »Du bist sehr gebildet, etwas zu erahnen, von dem du nichts weißt. Niemand kann in einen andern Menschen hineinschauen.«
    »Doch ich kann es – bei dir. Deine Gefühle liegen offen vor mir, wenn ich dich bloß anschaue.«
    Celina erschrak. War es so einfach, sie zu durchschauen? Von ihm durchschaut zu werden schien ihr kein großes Übel zu sein, aber sie beschloss, sich künftig mehr im Zaum zu halten, besonders Männern gegenüber.
    »Wir werden die Geheimnisse, die Tullia, Varchi und andere erörtert haben, nicht so schnell entschlüsseln können. Andere brauchen dafür ein ganzes Leben. Schau, der Ruderer kommt schon zurück. Wann werden wir uns wiedersehen?«
    »Ich komme morgen wieder«, erwiderte Christoph. »Dann können wir noch einmal darüber sprechen, wohin ich dich bringen könnte. Bei aller Liebe – wir müssen schnell handeln!«
    »Ich freue mich darauf, dass du kommst«, sagte sie und gab ihm die Hand. »Aber ich weiß nicht, wie ich die Zeit bis dahin überstehen soll!« Mit einer schnellen Bewegung küsste er ihre Finger, wandte sich um und ging zum Ufer, wo der Ruderer auf ihn wartete. Celina sah ihnen nach, bis das Boot immer kleiner wurde und im Abenddunst Richtung Venedig verschwand.
    In der Nacht wurde Celina von einem Geräusch geweckt. Sie fuhr empor und war sofort hellwach. Das Geräusch war von draußen gekommen. War es ein Tier? Eine streunende Katze, ein Dachs? Da war es wieder: Es klang wie das Scharren eines schweren Gegenstandes über Sand. War sie entdeckt worden? Waren die Schergen gekommen, sie zu holen und wieder einzusperren? Sie sprang von ihrer Matratze auf, tastete sich im schwachen Licht des Mondes voran. Sie stieß sich das Knie am Stuhl und unterdrückte ein Stöhnen. Ihren Mantel fand sie über der Stuhllehne hängend. Sie warf ihn sich über die Schultern, öffnete die Tür. Es war nichts zu sehen oder zu hören. Nur die Wellen plätscherten leise ans Ufer. Der abnehmende Mond warf sein Licht auf die Lagune, die wie dunkles Metall glänzte. Dort am Ufer war etwas … ein Boot! Sie war wirklich entdeckt worden. Oder war Christoph noch einmal zurückgekehrt?
    Celina nahm all ihren Mut zusammen und ging geradewegs auf das Boot zu. Es war leer, die Ruder pendelten imniedrigen Wasser. Celina wandte sich zurück zur Hütte. Dort oben stand eine Gestalt und blickte zu ihr herüber. Es war eine Frau – eine Nonne. Die Frau kam auf sie zu. Klein, rundlich, aus der Kapuze quollen blonde Haare hervor …
    »Nanna!«, rief Celina aus. »Wie in aller Welt kommst du hierher?«
    Nanna stand nun direkt vor ihr. »Ich habe mich aus dem Kloster geschlichen«, sagte die Nonne, »weil ich mit dir sprechen möchte.«
    »Woher weißt du, dass ich hier bin?«
    »Das tut nichts zur Sache.«
    »Komm herein in die Hütte«, sagte Celina. »Hier draußen ist es zu dunkel und zu kalt.«
    Im Innern zündete sie mit einem Zundersäckchen eine Öllampe an, die in einer Ecke stand. Nanna setzte sich auf den einzigen Stuhl, Celina holte zwei Becher mit Wein und schwang sich auf den Tisch neben die Lampe.
    »Was führt dich zu mir?«, fragte sie. Im Schein des Lichts sah sie, dass Nannas Augen rot umrändert waren. »Hast du Kummer?«
    »Es gibt Dinge,

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