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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Frage.«
    »Ich möchte nach Hause«, sagte Celina mit schwacher Stimme. Aber wo war ihr Zuhause eigentlich?
    Sie fuhren mit der Kutsche zurück zum Haus des Kardinals. Mitternacht war schon lang vorüber. Der Kardinal plauderte angeregt mit Andriana; anscheinend bemerkte er die Verstimmung zwischen den beiden Frauen nicht. Am nächsten Tag war er schon früh aus dem Haus. Als er gegen Mittag zurückkehrte, bat er Celina und Andriana in sein Zimmer.
    »Der Papst will Euch nicht von Eurem Gelübde entbinden«, sagte er in bedauerndem Tonfall. »Er meint, wenn alle den Schleier abgeben würden, wäre der Verderbnis Tür und Tor geöffnet. Dann würden die Priester auch dasZölibat aufheben wollen, wie es dieser Ketzer Luther schon lange gefordert und es auch praktiziert hat.«
    Celina verstand die Welt nicht mehr. Wut kochte in ihr hoch.
    »Aber das Keuschheitsgebot wird doch überall gebrochen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen, hier und anderswo!«, rief sie.
    Der Kardinal senkte den Blick. Er dachte einen Augenblick lang nach.
    »Im Grunde habt Ihr recht«, sagte er dann. »Die Kurie und selbst der Papst halten sich nicht an das, was sie predigen. Fast jeder hier, der sich im geistlichen Stand befindet, hält sich eine Mätresse oder einen Lustknaben. Aber ich bin Angehöriger dieser Kurie und muss die Gebote der Kirche nach außen vertreten. Ich kann Euch also nicht entbinden.«
    »Du hast gestern gesagt, niemand dürfe gegen seinen Willen gezwungen werden, den Schleier zu nehmen«, warf Andriana ein. »Welche Seite vertrittst du denn nun, die einer Pflicht, die sich als brüchig erweist, oder eine Gerechtigkeit, die dem wahren Glauben zugrunde liegt?«
    Der Kardinal seufzte. Er legte seine beringten Hände an die Stirn.
    »Ihr macht es mir nicht leicht«, sagte er. »Aber ihr habt mich überzeugt. Ich werde heute Nacht noch ein Schreiben an den Zehnerrat aufsetzen und mit dem päpstlichen Siegel versehen.«
    »Ich danke Euch, Sebastiano Kardinal Battista«, entgegnete Celina.
    »Meine Mission hier ist erfüllt«, sagte Celina am anderen Mittag zu Andriana. »Ich könnte heute noch aufbrechen. Es hält mich nichts mehr. Aber ich möchte nicht denselben Weg zurückgehen.«
    »Ich verstehe dich«, sagte Andriana. »Würdest du dich einer Gruppe von Pilgern anschließen, die zurück in den Norden gehen?«
    »Nein, ich möchte keine Gesellschaft. Ich will allein sein.«
    »Du bist närrisch, Celina! Willst du, dass dir das passiert, wovor du dich am meisten fürchtest?«
    »Nein. War nicht ausgemacht, dass du mich zurück begleitest? Aber wie ich sehe, bist du sehr beschäftigt.«
    Andriana dachte einen Moment lang nach.
    »Ich hab’s«, sagte sie. »Du könntest versuchen, vom Hafen Ostia aus ein Handelsschiff nach Venedig zu bekommen.«
    Eine Schiffsreise? Warum nicht? Dort war sie sicherer als auf dem Landweg.
    »Das würde ich gern einmal erleben. Auch wenn meine Eltern …« Sie brach ab.
    »Vielleicht könntest du das Ereignis bewältigen, wenn du so eine Reise erlebst – mit gutem Ausgang«, meinte Andriana
    »Ja, ich will es wagen.«
    »Ich bringe dich morgen hin. Schade, ich hatte gehofft, mit dir den Auftritt des Papstes ansehen zu können.«
    Der Papst ist der Allerletzte, den ich jetzt sehen wollte, dachte Celina.
    Am nächsten Tag, an dem die Sonne wieder von einem tiefblauen Himmel schien, machten Celina und Andriana sich in einer Mietkutsche auf nach Ostia. Der Tiber floss träge dahin. Vom Meer her wurden Galeeren und Handelsschiffe mit Ochsenkarren bis in die Ewige Stadt geschleppt. Händler, Tagelöhner und Hausfrauen auf dem Weg zum Markt begegneten ihnen, mit Säcken beladene Esel, Kühe und ihre Treiber. Am Hafen lagen einige Schiffe am Kai. Sie sahen sich jedes genau an. Es waren fast alles Dreimastermit Aufbauten und Kanonen an Deck. Am Rumpf einer der Galeeren war in schnörkeligen Buchstaben der Name Arsenale di Venezia eingraviert.
    »Wohin fährt dieses Schiff?«, fragte Andriana einen der Hafenarbeiter, der schwitzend einen Sack mit Getreide zur Planke trug, die als Brücke zum Schiffsrumpf hinübergelegt war.
    »Nach Madeira.«
    »Wann läuft es aus?«
    »Heute Abend. Wenn Ihr mitfahren wollt, müsst Ihr Euch an den Kapitän wenden.« Er deutete auf den tonnenförmigen Aufbau weiter vorn. Celina und Andriana balancierten über das Brett auf das Schiff. Sie fanden den Kapitän im Steuerhaus, über eine Seekarte gebeugt.
    »Was wünscht Ihr?«, fragte er.
    »Ich möchte eine Passage

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