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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Publikum klatschte Beifall. Eine junge Frau spielte auf einer Laute. Arcangela und Andriana lasen abwechselnd Gedichte von Petrarca und aus der Divina Commedia von Dante vor.
    Wie gebildet diese Kurtisanen waren! Plötzlich fiel Celina etwas ein. Sie hatte gar nicht mehr an bestimmte Ereignisse in Venedig gedacht. Alles hatte sie hinter sich gelassen. Doch das Geheimnis um die toten Mädchen war noch nicht gelöst, und wieder einmal spürte sie, dass es sehr viel mit ihr selbst zu tun hatte, dieses Geheimnis zu enträtseln. Sie beschloss, die Kurtisanen und den Kardinal vorsichtig darüber zu befragen. Der Kardinal war in ein angeregtes Gespräch mit Andriana vertieft. Sollte sie ihn trotzdem ansprechen?
    »Herr Kardinal Battista«, begann sie zaghaft.
    »Ja, mein Kind, was liegt dir auf dem Herzen?«
    »Ich soll Euch einen Gruß vom Verleger Ernesto Brinello in Venedig und Hans Leublin ausrichten, zwei guten Freunden von mir«, sagte sie.
    In den Augen des Kardinals blitzte es auf.
    »Ich kenne die beiden. Als Legat des Papstes und als Kardinal kann ich ihr Vorgehen jedoch nicht gutheißen. Und ich kenne den Vatikan und die Priesterschaft, hier wie dort. Es fließen immer wieder Gelder von Venedig zu uns, über deren Herkommen ich nur Vermutungen anstellen kann.«
    »Was für Vermutungen?«, fragten Celina und Andriana wie aus einem Mund.
    »Offenbar werden dort gewisse dunkle Machenschaften betrieben. Keine Sorge, wir können hier unbesorgt darüber sprechen«, meinte er.
    »Zwei Nonnen wurden tot im Kanal gefunden«, sagte Celina. »Möglicherweise wurden sie mit Gift ermordet. Der Zehnerrat versucht das alles zu vertuschen.«
    »Es ist seit alters her eine beliebte Art, jemanden mit Gift ins Jenseits zu befördern«, meinte der Kardinal. »Insbesondere die Borgias verstanden sich auf diese Kunst.«
    »Meint Ihr, die Nonnen wurden ermordet, weil sie jemandem, zum Beispiel ihren Familien, im Wege standen?«
    »Ich habe solche Fälle hier in Rom erlebt«, warf Andriana ein. »Da gab es ein Erbe zu verteilen, ein Amt anzutreten … derjenige, der die Verwandten in ihrer Gier behinderte, musste dran glauben. Manchmal haben sie es auch als Selbstmord getarnt und falsche Abschiedsbriefe verfasst.«
    »Die drei Nonnen haben keine Abschiedsbriefe hinterlassen«, sagte Celina.
    »Sie könnten sich auch aus Verzweiflung über ihr Los das Leben genommen haben«, meinte Andriana.
    »Wenn Ihr wieder in Venedig seid, befragt doch einmal die Familien dieser jungen Frauen«, riet ihr der Kardinal. »Außerdem gebe ich Euch morgen die Adresse eines Abtes, den Ihr aufsuchen solltet. Murare heißt er.«
    Venedig, dachte sie. Wie mochte es Hans, Brinello undChristoph ergehen? Hoffentlich waren sie nicht in Gefahr. Sie hatte letzte Nacht so einen merkwürdigen Traum gehabt. Die Signori della Notte hatten das Versteck der Bücher entdeckt und zerrten ihre Freunde aus einem Haus heraus. Sie wehrten sich verzweifelt, aber die Männer der Signoria waren in der Übermacht.

23.
    Der Verleger Brinello, Christoph und Hans hatten sich im Haus des Ratsmitgliedes Immuti eingefunden, um ihre Lage zu erörtern.
    »Ich kann Euch nur empfehlen, die Herstellung dieser Schriften in Venedig einzustellen«, sagte Immuti, an die drei gewandt.
    »Und wovon sollen wir leben?«, fragte Brinello.
    »Es gibt genügend andere Schriften, die nicht auf dem Index stehen.«
    »Aber es kommt doch darauf an, gerade diese Schriften zu verbreiten«, entgegnete Christoph.
    »Dann müsst Ihr irgendwo auf dem Land, wohin der Arm der Signoria nicht reicht, eine getarnte Offizin oder einen neuen Verlag mit Druckerei eröffnen. Die Bücher von Luther und Erasmus sind sowieso die meistverkauften des Jahrhunderts; diese Schriften werden sich schon durchsetzen. Doch Ihr dürft in keiner Weise mehr mit ihnen in Verbindung gebracht werden.«
    »Er hat recht«, sagte Hans. »Verräter gibt es überall. Wer weiß, ob dieser Fischer uns nicht schon denunziert hat.«
    »Ich empfehle Euch, im Fischerdorf Mestre eine Wohnung oder ein Haus zu mieten und dort ganz unauffällig zu leben und zu arbeiten«, erklärte das Ratsmitglied.
    »Er hat recht«, sagte Hans noch einmal. »Wenn wir hier bleiben, sind wir verloren.«
    »Lebt nicht der Sohn der Nonne Nanna Tarabotti ebenfalls in Mestre?«, fragte Christoph. »Celina hat mir darüber berichtet.«
    Beim Gedanken an sie befiel ihn Angst. Was mochte sie während ihrer Pilgerreise erleben? Hätte er sie doch begleitet! Aber das hatten sie

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