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Die Nonne und die Hure

Die Nonne und die Hure

Titel: Die Nonne und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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nach Venedig«, antwortete Celina. »Ich bin eine Pilgerin, die nach Rom gekommen ist, um sich von ihrer Sündenschuld erlösen zu lassen. Der Rückweg über Land ist mir zu gefährlich.«
    »Gut, aber aus Barmherzigkeit nehme ich niemanden mit. Da müsst Ihr schon ein paar Gulden springen lassen. Wir fahren zur Insel Madeira, um Weizen, Wein und Zucker zu laden. In Taormina müsst ihr dann ein anderes Schiff finden.«
    »Das ist doch ein wenig zu umständlich«, sagte Celina. »Gibt es auch ein Schiff, das nach Genua fährt? Von dort könnte ich durch die Ebene des Po zurück nach Venedig gelangen.«
    »Ja, die Guiseppe Desoderata . Die liegt gleich dort drüben. Viel Glück auf Eurer Reise!«
    Celina wurde schnell handelseinig mit dem Kapitän des anderen Schiffes.
    »Ihr werdet an Deck schlafen müssen, denn in den Mannschaftsräumen ist kein Platz mehr«, meinte der Schiffseigentümer,ein bärtiger Seemann mit wasserhellen Augen. Sein Alter war schwer zu bestimmen, so dunkel war seine Haut.
    »Die Mannschaftsräume würden mir auch nicht sehr behagen.« Celina und Andriana lachten, und der Kapitän stimmte ein.
    »Gibt es Stürme im mittelländischen Meer?«, wollte Celina wissen.
    »Die Südspitze Kalabriens ist bekannt für ihre heftigen Stürme. Aber dieses Schiff ist der Santa Maria von Christoph Kolumbus nachgebaut. Er hat es schließlich über den großen Ozean geschafft. Es ist ein Kraweelbau. Es bedeutet, dass die Planken des Rumpfes aufeinanderstoßen und sich nicht überlappen. Wir können bis zu vierhundert Fuder Handelsgut laden. Und das Schiff hält jedem Sturm stand!«
    Celina horchte auf. »In der nördlichen Adria … gibt es dort auch Unwetter?«
    »Ja, schon, aber nur zu bestimmten Zeiten.«
    »Hat es im letzten Juli einen solchen Sturm dort gegeben?«
    »Nein, der Juli an der Adria war letztes Jahr besonders ruhig und trocken.«
    Celina fühlte sich bis ins Mark getroffen. Dann war das eine Lüge ihres Onkels gewesen. Ihre Eltern waren gar nicht bei einem Sturm ums Leben gekommen! Sicher hatte er sie auf irgendeine Art beseitigen lassen, um an ihre Reichtümer heranzukommen. Das Stadthaus in Venedig fiel ihr ein, der kleine Palazzo, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Das hatten sie sich bestimmt auch unter den Nagel gerissen. Sie fieberte danach, in die Serenissima zurückzukehren.
    Andriana umarmte Celina zum Abschied.
    »Ich wünsche dir eine gute Reise, und gib auf dich Acht!«
    »Das tue ich. Auf jeden Fall werde ich dich vermissen.«
    Bis zum Abend vertrieb sich Celina die Zeit damit, das Schiff zu erkunden. Der Kapitän wich nicht von ihrer Seite; er nahm gewiss nur selten Passagiere mit und freute sich, wenn er mit Fremden sprechen konnte. Er zeigte ihr die Kapitänshütte. Am Bug war ein etwa zwanzig Fuß langer hölzerner Schnabel befestigt, mit dem im Gefecht der Gegner gerammt werden konnte. Außerdem diene er als Enterbrücke, erzählte der Kapitän, auf der die Besatzung das feindliche Schiff zu erreichen und zu erobern versuche.
    »Früher gab es meist über zwanzig Ruder auf jeder Seite«, sagte er. »Die Bemannung bestand aus den Truppen, einigen Seeleuten und dem Argousin , das heißt, dem Offizier, dem Comite, der die Ruderer kommandierte, und seinen beiden Sous-Comites, die mit Knütteln in der Mitte des Schiffs postiert waren.«
    Das Gerede des Kapitäns interessierte Celina überhaupt nicht. Viel lieber wäre sie jetzt in Venedig gewesen, in der Nähe von Christoph. Noch nie hatte sie solch eine starke Sehnsucht nach einem Menschen verspürt. Doch sie konnte dem Kapitän nicht entrinnen, und so tat sie, als würde sie ihm aufmerksam zuhören.
    »… und die Rudermannschaft«, beendete der Kapitän eben einen Satz. »Letztere zerfiel in drei Klassen: in die forcats , Sträflinge, die, ganz kahl geschoren, stets angekettet blieben, Sklaven, kriegsgefangene Türken, Mauren, auch Christen fremder Nation, endlich Freiwillige, entweder ausgediente Sträflinge, die sich etwas verdienen wollten, oder Vagabunden. Die Freiwilligen trugen Haar und Bart. Das Rudern war äußerst anstrengend, musste aber zehn, zwölf, ja zwanzig Stunden ununterbrochen fortgesetzt werden. Man steckte den Leuten weingetränktes Brot in den Mund und schlug jeden, der nicht genug arbeitete, so lange, bis er umsank. Dann wurde er losgekettet und ins Wasser geworfen.«
    Celina schaute den Kapitän fragend an.
    »Heute ist das nicht mehr so«, beschwichtigte er, »und nur noch wenige der Ruderer sind

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