Die Nonne und die Hure
beide verworfen, weil er in Venedig dringend gebraucht wurde.
»Um den Kleinen könnten wir uns nebenbei kümmern«, meinte Hans. »Uns als seine Onkel ausgeben, die auf sein Wohl bedacht sind.«
Trotz seiner düsteren Gedanken musste Christoph lachen.
»Na, wenn das keine perfekte Tarnung ist.«
Brinello fuhr am nächsten Tag nach Mestre hinüber und wurde bald fündig. Er lud Christoph und Hans ein, mit ihm das Haus zu besichtigen. Es lag unweit der Lagune, war aus Lehmziegeln erbaut und mit Schilf gedeckt. Um das Haus herum hatte die Fischerfrau einen Gemüsegarten angelegt mit Zitronenbäumen, Karfiol und Kräutern. Die Familie, die vorher darin gewohnt hatte, war nach Padua gezogen, wo sich der Vater als Knecht verdingen wollte. Die Fischerei hatte die Familie nicht mehr ernähren können. Das Haus war geräumig, mit einer Küche unten und drei Kammern im Obergeschoss.
»Eine Druckerpresse werden wir nie und nimmer ungesehen hierher bekommen«, stellte Brinello fest. »Aber wir könnten zumindest die Bücher hierher schaffen und unsere Versammlungen abhalten.«
»Wo denn?« fragte Christoph. »In der Küche?«
»Da gibt es noch eine kleine Scheune nebenan«, meinte Brinello. »Oder ist es eine Fischräucherei?«
Sie gingen hinaus, um den Anbau zu besichtigen. Es war tatsächlich eine Scheune.
»Fahren wir zurück«, sagte Brinello. »In den nächsten Tagen bringen wir die Bücher hierher und halten unsere erste Versammlung ab.«
Hans sah sich nach allen Seiten um. »Was für Nachbarn haben wir wohl?«
Wie als Antwort kam quiekend ein Ferkel um die Ecke gejagt; ihm folgte ein braungebrannter Junge mit wirren Haaren und ärmlicher Kleidung.
»Das muss Nannas Sohn sein«, meinte Hans. »Filippo, kennst du mich noch? Ich soll dir Grüße von deiner Mama überbringen.«
»Meine Mama lebt in einem schönen großen Haus, und sie ist sehr reich«, sagte der Kleine. »Sie wird mich sicher bald besuchen kommen und mir etwas mitbringen.« Filippos Augen strahlten voller Erwartung. Christoph gab ihm ein paar Scudi. Aus den anderen Häusern drangen das Klappern von Töpfen und Kindergeschrei. Ein Geruch von Olivenöl und Fisch zog herüber.
»Hier wird uns niemals jemand vermuten«, sagte Brinello und blickte zufrieden auf das Haus.
Sie kehrten über die Lagune in die Serenissima zurück. Ob wir es schaffen, die Bücher rechtzeitig in Sicherheit zu bringen? dachte Christoph. Wie so oft stand Celina vor seinen inneren Augen. Er hatte schon mehrmals davon geträumt, dass ihr und Andriana Gewalt angetan worden wäre. Die Vorstellung versetzte sein Blut in Wallung.
In der zweiten Nacht nach der Erkundung des Hauses in Mestre war es soweit. Brinello holte die Bücher aus ihrem Versteck, einem größeren Hohlraum in der Wand, der von einem Bild bedeckt war.
»Wie willst du sie transportieren?«, fragte Christoph.
Hans erschien ebenfalls und gähnte.
»Spät ist es«, sagte er.
Die Uhr der nahen Kirche schlug elf Mal.
»Falls uns die Signori anhalten, muss es unverdächtig aussehen«, meinte Brinello.
»Wie wäre es mit einem Korb?«, schlug Hans vor.
»Nein, da würden sie hineinschauen. Vielleicht ein Fass?«
»Wenn sie das schütteln, gluckert es nicht, es klötert.« Hans riss seinen Mund auf und lachte sein unvergleichliches Lachen.
»Ich hab’s«, sagte Brinello. »Wir nehmen eine Kiste, so groß, dass etwa zwanzig Bücher hineinpassen. Obendrauf legen wir Wäschestücke.«
»Was Besseres fällt mir auch nicht ein«, meinte Christoph.
Brinello brachte eine passende Kiste, und sie legten die Bücher hinein; obendrauf kamen Hemden, Hosen und ein Mantel. Brinello klemmte sich die Kiste unter den Arm.
»Auf geht’s«, sagte er.
Sie verließen das Haus. Es war eine warme Nacht. Von den Kanälen her ertönten die Rufe der Gondolieri. Verliebte Paare streiften an den Wänden entlang. Christoph musste stärker als je zuvor an Celina denken. Aber die Aufgabe, die vor ihnen lag, hatte Vorrang. Hatte nicht Tullia von einer höheren Form der Liebe gesprochen? Seine Liebe galt den Büchern und dem Geist der Reformation und des Humanismus, das musste er sich immer wieder vor Augen führen.
Sie erreichten einen Kanal, in dem Gondeln am Kai vertäut lagen.
»Wir brauchen eine Überfahrt nach Mestre«, sagte Brinello zu einem der Gondolieri. Der Mann band diensteifrig die Gondel los und wollte nach der Kiste greifen.
»Die nehme ich selber«, sagte Brinello. »Es sind Erbstücke von meiner Tante darin.«
Sie
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