Die Nordischen Sagen
euch doch selbst um Wachstum und Ernte.«
Und Frejya erhob sich so abrupt von ihrem Platz, dass ihr Stuhl umfiel.
»Loki, jetzt tu doch etwas!« Odin blickte den Feuergott ärgerlich an.
Aber Loki schien die allgemeine Aufregung nicht im Mindesten zu teilen.
»Komm zurück, Freyja«, rief er vergnügt hinter der zornigen Göttin her. »Welchen Lohn hätten wir einem Baumeister versprechen sollen, der eine unmögliche Aufgabe erfüllen soll. Es gibt zwischen Asgard und Niflheim nichts Begehrenswerteres als dich.«
Freyja war stehen geblieben.
»Du bist das Schönste, Edelste und Kostbarste, das wir haben. Nur deshalb wollte der Riese dich, und wir wollten es ihm nicht gleich verwehren. Denn wer könnte ihn nicht verstehen?«
Als sich Freyja umwandte, war der Zorn aus ihren Zügen gewichen, und es schien sogar so, als würde sie ein Lächeln unterdrücken.
Loki ging einige Schritte auf sie zu und streckte ihr eine Hand entgegen, während er weitersprach: »Du solltest niemals wirklich ausgeliefert werden. Lieber hätten wir sofort einen Krieg begonnen, glaube mir. Er kann aber niemals schnell genug fertig werden, und damit erlischt sein Anspruch auf dich.«
In diesem Augenblick stürmte Thor zum Versammlungstisch unter der Weltesche.
»Gerade komme ich von der Baustelle. Wenn der Riese weiterhin nachts durcharbeitet, steht die Mauer drei Tage vor Ende der Frist.«
Freyja wirbelte herum, und ihr Blick durchbohrte Loki. »Unmögliche Aufgabe, ja?« Sie holte weit aus und gab ihm eine Ohrfeige.
Loki aber ging aufrecht davon, und für lange Zeit, sah ihn niemand mehr in Asgard.Der Mauerring umschloss inzwischen beinahe ganz Asgard. Lediglich einige Torbögen fehlten noch. Hrimthurs wischte sich den Schweiß von der Stirn und ließ sich auf einen Steinblock fallen. Es dämmerte, und er beschloss, ein wenig zu rasten. Er nahm seinem Hengst das Geschirr ab und führte ihn zur Tränke. In diesem Augenblick galoppierte eine silbern glänzende Stute an der Baustelle vorbei. Etwas Göttliches ging von ihr aus, und Hrimthurs glotzte sie voller Bewunderung an. Noch niemals hatte er ein so schönes Tier gesehen, und auch sein Hengst blähte entzückt die Nüstern. Die Stute bäumte sich übermütig auf, warf ihren edlen Kopf zurück und lief dann auf den nahen Waldrand zu. Sofort scharrte das Pferd des Baumeisters unruhig mit den Hufen, tänzelte, riss sich schließlich los und folgte der Stute in den Wald.
Alles war so schnell passiert, dass der Riese nicht verstand, was vor sich ging. Regungslos stand er da und sah auf seine Hand hinab, die eben noch das Zaumzeug seines Hengstes festgehalten hatte. Dann aber holten seine Gedanken die Wirklichkeit ein, und er brüllte vor Zorn. Da ihm jedoch nichts anderes übrig blieb, als zu warten, bis sein Hengst wieder zurückkam, brüllte er bis in die Morgenstunden. Doch das Pferd erschien nicht.
Der Tag verstrich, und weil Hrimthurs inzwischen heiser war, baute er alleine weiter. Allerdings ging die Arbeit schlecht voran. Bald war die zweite Nacht vergangen, ohne Hengst, und auch die dritte Nacht verstrich. Und mit dem ersten Hahnenschrei brach der Herbst an. Der Bau aber war noch immer nicht fertiggestellt.
Als die Götter bald darauf kamen, um die neu errichtete Mauer zu besichtigen, brachen plötzlich auch die beiden Pferde aus dem Wald hervor.
»Unschuldig«, begann Hrimthurs weinerlich, als Odin auf ihn zukam. »Pferd weg.«
Odin aber tätschelte ihm tröstend den Arm und sagte: »Nun ist es ja wieder da. Also, nimm dein Pferd und geh. Nur auf deinen Lohn wirst du wohl verzichten müssen.«
Als der Riese Odins Worte verstanden hatte, brach er in zorniges Gebrüll aus. Er begann Steinbrocken auf die fertige Mauer zu schleudern und wollte schließlich sogar den Göttervater selbst angreifen.
Einen Moment zögerte er, dann warf Thor seinen Donnerhammer und erschlug ihn.
Der Hengst aber weidete von nun an auf göttlichen Wiesen.
Wenn die Götter etwas aufmerksamer gewesen wären, dann hätten sie vielleicht bemerkt, dass seit der Stunde, in der sie das große Unrecht an Hrimthurs, dem Baumeister, begingen, ein eisiger Wind in Asgard wehte.
Wenige Monate später brachte die graue Stute ein achtbeiniges Fohlen zur Welt. Und kurz danach erschien auch Loki wieder unter den Göttern. Es heißt, er hätte stark nach Pferd gerochen und seine ersten Worte seien ein unverständliches Schnauben gewesen.
Loki aber schenkte das Fohlen dem Göttervater und gab ihm den Namen
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