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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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So wagte er es auch nicht, ihm in die Augen zu sehen, während er antwortete: »Wenn du dir deiner Stärke so sicher bist, dann brauchst du ja nichts zu fürchten. Schauen wir doch mal, ob wir dem Wolf nicht ein Halsband anlegen können.«
    Und schon kniete sich Odin neben den Wolf, knotete eine Schlinge aus dem Seil und wollte sie dem Untier über den Kopf streifen.
    Doch der Wolf bäumte sich auf, und seine Stimme klang wie ein wütendes Fauchen: »Seit wann kann man einem Gott vertrauen? Machen wir einen Handel. Ich lasse mir die Schlinge umlegen, aber nur, wenn deinSohn, der Kriegsgott Tyr, als Pfand seine Schwurhand in meinen Rachen legt.«
    Tyr wich entsetzt zurück. »Ich?«
    »Ja, du. Denn Odins Schwurhand gilt nichts.«
    Tyr betrachtete den schweren Kiefer des Wolfs. Er hatte fast die Größe eines ausgewachsenen Schafs. Erwartungsvoll leckte sich Fenrir das Maul.
    »Nun? Dann habe ich also recht, und das Seil ist gefährlicher, als es aussieht.«
    Thor wagte nicht, sich zu seinem Bruder umzudrehen. Schweigend wartete er ab, wie Tyr sich entscheiden würde. Aber Odin trat ganz nah an seinen Sohn heran.
    »Nun, Tyr, es ist an dir, für die Ehre deines Vaters zu bürgen. Tu deine Pflicht!«
    Kaum merklich schüttelte Tyr den Kopf. Er flehte Odin mit den Augen an, von seiner Forderung abzulassen. Vielleicht hoffte er sogar auf das Mitleid seines Vaters. Doch Odin war schon wieder an der Seite des Wolfs.
    Da ging der Kriegsgott langsam auf das Tier zu, entblößte seinen rechten Arm bis zur Schulter und legte ihn in den aufgesperrten Rachen des Dämons, während Odin die Schlinge um Fenrirs Hals knüpfte.
    Es dauerte nur einen Herzschlag lang.
    Im ersten Moment sah es aus, als würde der Dämon das Band leicht abschütteln können. Je mehr er sich aber wand, je mehr er zerrte und sich zu befreien suchte, desto stärker wirkte der Zauber, der auf ihm lag. Gnadenlos schnürte es dem Wolf die Kehle zu. Odins und Fenrirs Blicke begegneten sich, dann fielen die Kiefer aufeinander.
    Tyrs Schrei gellte durch den Eisenwald. Rasend vor Schmerz wälzte sich der Gott über den Boden, während das Blut aus dem Stumpf knapp unterhalb der Schulter spritzte.
    Odin trat zu ihm und stoppte die Blutung. Tyrs Arm jedoch konnte er nicht ersetzen, denn der Gott hatte ihn durch einen Meineid verloren. Den Arm, mit dem er sein Schwert geführt hatte, die Waffenhand eines Kriegers.
    Fenrir musste den Göttern nach Asgard folgen. Und wieder hatten die Götter gesiegt, und wieder geschah es durch Betrug.

Einherjer
    S eit Odin seine Feinde kannte, war es unmöglich, Ragnarök, den Beschluss des Schicksals, zu ignorieren. Jeden Tag untersuchte Odin nun Yggdrasils Blätter, um zu sehen, ob der Zustand des Baums sich verschlechtert hatte. Und selbst, wenn der Baum noch keine weiteren Krankheitszeichen aufwies, so war es Odin, der krankte. Die Sorge nahm Raum in seinem Inneren, die Sorge, seine Macht zu verlieren, die Sorge, dass tatsächlich eintreten könnte, was schon vor so langer Zeit vorhergesagt worden war. Und diese Sorge war es auch, die harte Linien in sein Gesicht meißelte und den ewig jungen Göttervater unter der Maske seiner Jugend altern ließ.
    Unentwegt sandte er seine Raben aus, verbrachte viele Stunden auf dem Wolkenthron oder beriet sich mit Mimirs Kopf. Dann, eines Morgens, rief Odin die Götter unter die Zweige der Weltesche.
    »Wir müssen uns wappnen«, sagte er und blickte ernst in die Gesichter der Asen.
    »Wir wissen alle, welche Feinde uns belauern, und wir wissen, dass sie nur darauf warten, die alte Ordnung umzustoßen.Es ist also an der Zeit, dass auch wir uns rüsten.«
    Viele der Götter nickten, einige ballten die Fäuste, andere blickten sorgenvoll.
    Nur Balder, der Lichtgott, lächelte. »Noch hat uns niemand angegriffen. Noch ist Zeit, mit den anderen Welten zu verhandeln. Vielleicht haben auch wir Fehler gemacht?«
    »Schau doch her, was mir dieses Ungeheuer angetan hat«, schrie Tyr und deutete auf seinen Armstumpf. »Es hat ihm Spaß gemacht, sage ich dir. Ich will den Krieg!«
    Viele Stimmen riefen und brüllten nun durcheinander, und auch Loki stimmte dem Kriegsgott zu.
    »Nehmt doch nur den Baumeister, er wollte Odin töten. Wir müssen die Riesen und ihre Ausgeburten vernichten, bevor sie uns vernichten.«
    »Gut gesprochen, für einen Riesen.« Heimdall, der Wächter Asgards ging geradewegs auf Loki zu und tippte ihm mit dem Finger auf die Brust. »Bist du nicht auch ein Riese?«
    Aufgeregtes

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