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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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Asgard hatte schweren Schaden davongetragen. Viele Götterburgen waren ausgebrannt oder bis auf die Grundmauern niedergerissen, heilige Haine zertrampelt, Gärten überrollt worden. Einzig Odins Palast Gladsheim mit der Versammlungshalle Walhall hatte die Schlacht unbeschadet überstanden. Was die Götter jedoch am meisten beunruhigte, war der Schutzwall rund um Asgard. Seit Erschaffung des Himmels hatte dieser Wall das Götterreich gegen Eindringlinge und Feinde geschützt, nun war er bis auf wenige Felsbrocken zerstört worden.

    »Ihr wisst, was die Prophezeiung besagt«, sagte Odin,als die Götter sich unter den Zweigen der Weltesche zusammengefunden hatten, um über die Zukunft zu beraten.
    »Wir müssen jederzeit damit rechnen, angegriffen zu werden. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Mauer wieder errichten, und zwar höher, als sie je gewesen ist.«
    Die anderen Götter stimmten Odin zu, da sie jedoch auch ihre eigenen Häuser wieder reparieren wollten, beschlossen sie, einen fremden Baumeister mit dem Neubau des Schutzwalles zu beauftragen.
    Es vergingen kaum drei Tage, da führte Loki einen Riesen vor Odins Thron.
    »Dies ist Hrimthurs. Er ist ein bekannter Baumeister, und er will die Mauer neu errichten«, sagte Loki. »Allerdings verlangt er als Lohn die Göttin Freyja.«
    Odin blickte zwischen dem Riesen und Loki hin undher, und dann lachte er, dass ihm die Tränen aus seinem verbliebenen Auge tropften.
    »Die Frühlingsgöttin? Als Lohn? Vielleicht könnten wir ihm auch noch meinen Thron anbieten? Loki, schmeiß den Mann raus.«
    Der Riese, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, sah verwundert zu Odin hinüber, dann sagte er langsam:
    »Lustig? Zu wenig? Dann will ich Freyja und Sonne und Mond.«
    Odin lachte noch mehr, winkte ab und wollte den Raum verlassen, Loki aber nahm ihn zur Seite.
    »Er ist sehr stark, und er fordert keine andere Hilfe als sein Pferd. Odin, schlag ein. Wir setzen ihm eine Frist, die er unmöglich einhalten kann. Mit dem ersten Hahnenschrei des ersten Herbsttages muss der Bau abgeschlossen sein. Das kann er unmöglich schaffen. Sein Anspruch auf Lohn wird verfallen, und wir bekommen die Mauer umsonst.«
    Nachdenklich legte Odin eine Hand an sein Kinn und strich sich dann über seinen langen Bart.
    »Umsonst sagst du?«
    »Verlass dich auf mich.« Loki lächelte, und wie jedes Mal, wenn er lachte, war Odin irritiert von der Schönheit des jungen Gottes. Wie hell seine Augen leuchteten, wie ebenmäßig, weich und glatt sein Gesicht war, fast wie das eines Mädchens. Und doch, etwas an diesem Lächeln war so gar nicht kindlich.
    Der Handel mit dem Riesen wurde beschlossen. Bis zum Ende des Sommers sollte Hrimthurs nur mithilfe seinesPferdes die Mauer um Asgard errichtet haben. Würde ihm dies gelingen, so sollte er dafür als Lohn die Frühlingsgöttin Freyja sowie Sonne und Mond erhalten. Sollte das Bauwerk jedoch nur einen Tag zu spät vollendet werden, hätte der Baumeister seinen Lohn verwirkt.
    Hrimthurs begann seine Arbeit. Doch mit Schrecken mussten die Götter sehen, dass der Hengst des Riesen so ungeheuer große und schwere Steinblöcke heranschleppen konnte, dass der Bau viel schneller voranging als erwartet. Und bald rief Odin voller Sorge den Götterrat zusammen.
    »Götter, wenn Hrimthurs so weitermacht, müssen wir ihm Freyja tatsächlich geben.«
    Freyja sah überrascht auf, als sie ihren Namen hörte.
    »Was heißt, ihr müsst mich dem Riesen geben?«, fragte sie und lachte. »Was ist denn das für ein dummer Scherz, Odin?«
    Keiner der Götter sagte etwas.
    Langsam erstarb das Lachen auf Freyjas katzenhaftem Gesicht, und sie blickte die Asen der Reihe nach an. Ihr schwarzes Haar sträubte sich. »Ihr habt mich diesem Koloss versprochen. Mich? Wie einen Klumpen Gold?«
    Odin lehnte sich unwillkürlich etwas zurück
    »Ähm, nein, Freyja ... du siehst das falsch. Der Riese wollte mehr haben. Er verlangte auch noch Sonne und Mond.«
    Jetzt fauchte die Göttin, und wer sie so sah, erkannte in ihr die Kriegerin: »Ich war ihm also nicht Lohn genug?«
    Odin wand sich auf seinem Stuhl.
    »Nicht doch. Natürlich. Du bist ja schon zu viel. Viel zu viel.«
    Freyja sah aus, als ob sie Odin jeden Augenblick anspringen würde. Ihr Kopf war angriffslustig nach vorne gestreckt, Hals und Schulter geduckt, alle Muskeln gespannt.
    »Vielleicht hätte der Riese euch ja noch etwas rausgegeben. Auf meine Hilfe als Frühlingsgöttin solltet ihr in Zukunft nicht mehr zählen. Kümmert

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