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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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den Raum.Odin aber schrie hinter ihm her: »Damit hast du deinen Tod besiegelt, Albe! Wenn dich die anderen nicht kriegen, dann töte ich dich.«
    Außer sich vor Zorn rief Odin die anderen Asen zu sich.
    Sie kamen alle, Götter und Göttinnen, und die Anspannung lag auf ihren Gesichtern. Nur Odins Gemahlin Frigg starrte mit leerem Blick aus dem Fenster.
    »Wir kämpfen.« Odin war auf einen Tisch gestiegen und streckte den Asen seinen Speer Gungnir entgegen. »Holt eure Waffen.«
    Keiner der Götter bewegte sich.
    »Ja, was ist? Zu den Waffen!«
    Freyja war die Erste, die das Schweigen brach.
    »Sollten wir nicht auf die Alben warten? Du hast doch Boten zu ihnen geschickt, und es kann nicht mehr ...«
    »Die Alben kommen nicht«, unterbrach sie Odin, »wir brauchen sie nicht.«
    Freyja blickte Odin einen Moment lang an, dann nickte sie und schnallte sich ihren ledernen Brustharnisch um. »Ich hole den Rest der Krieger aus meinem Palast, und dann treffen wir uns auf dem Wigridfeld.«
    Odin sah ihr nach, wie sie mit großen Schritten hinausging und in ihren Kriegswagen stieg. Alles Weiche war von der Frühlingsgöttin abgefallen. Dort fuhr Freyja, die Kriegerin, durch die Nacht, und Odin war ihr dankbar, dass sie nicht fragte, sondern einfach nur handelte.
    Als die Götter sahen, dass Freyja nicht länger zögerte, fiel die Starre auch von ihnen ab. Sie zogen ihre Schwerter und streckten sie Odin entgegen: »Für Asgard!«
    Odin zeichnete die Runen des Sieges in die Luft.
    »Wenn Heimdall ins Gjallahorn stößt, ziehen wir zum Wigridfeld. Du, Tyr, bereitest meine Geisterkrieger auf die Schlacht vor! Ich selbst hole die Walküren und kehre dann zurück, um das Heer anzuführen. Ihr anderen reitet aus und ruft alle zu den Waffen, die ihr finden könnt, um auf Asgards Seite zu kämpfen! Geht!«
    Als die Götter den Thronsaal verlassen hatten, trat Odin zu seiner Gemahlin.
    »Balders Tod wird gerächt werden.«
    »Schwöre es, Odin!«
    »Ich schwöre es.«
    Loki rannte durch die Atla-Schlucht, seine Arme und Beine waren aufgerissen, aber er spürte es nicht. Er spürte auch die Kälte des Fimbulwinters nicht. Er gehörte hierher, nach Niflheim, zu seinesgleichen, zu den Geschöpfen der Nacht. Ohne Schwierigkeiten durchdrangen seine Augen die Dunkelheit.
    Er kam an den Ort, an dem Fenrir gefesselt war. Er sah das zerrissene Seil, lächelte und eilte weiter, dorthin, wo das Meer den schwarzen Strand umspülte.
    Loki hörte das dunkle Heer, lange bevor er es sah. Sie stampften mit den Füßen auf den Boden, und sie grölten. Es waren Tausende, Hunderttausende. Bleiche Reifriesen, gewaltige Bergriesen, verwachsene Trolle, Schwarzalben und Zwerge. Sie alle waren bewaffnet.
    Dann teilte sich der Haufen, und etwas Großes, Fahles humpelte durch die Reihen.
    »Willkommen, Vater«, flüsterte Hel vom Rücken ihres Pferdes.
    Loki hob die Hand, und das schwarze Heer sank vor ihm auf die Knie.
    »Heil dir, Loki – Tod, Asgard!«
    Loki nickte zufrieden und wandte sich an die Totengöttin. »Ist das Schiff bereit?«
    »So, wie du es befohlen hast.«
    Hinter dem knienden Heer erkannte Loki das riesenhafte Segelschiff Naglfar. Seine schwarz-graue Oberfläche erinnerte an die schuppige Haut eines Fisches. In Wahrheit aber bestand das Schiff aus den Nägeln der Toten, die Hel in ihrem Reich zusammengetragen hatte. Vom Mast wehten schwarze Segel.
    »Wo ist Hymir?«
    »Er ist an Deck, Vater, und er wartet.«
    Lokis Augen wanderten zurück zu Hel. »Meinen Mantel, meine Waffen! Dann scher dich zurück in dein Reich!«
    Hel fauchte vor Zorn, und das fahle Pferd bäumte sich auf.
    »Ich will dabei sein. Wo Tod ist, ist auch Hel.«
    »Du tust, was ich dir sage!«, antwortete Loki, dann riss er seiner Tochter die Kapuze vom Kopf.
    Einen kurzen Moment lang war die Göttin den Blicken des dunklen Volkes ausgesetzt. Ihre halb grauen, halb schwarzen Haare. Das blinde weiße Auge und das lebendige, ihre verrottete Hand an der toten Körperhälfte. Ein Stöhnen ging durch die Reihen der Krieger. Rasch bedeckte sich Hel wieder mit ihrem Mantel. Sie wendete Helhesten und verschwand in der Nacht.
    Loki aber führte das Heer Niflheims an Bord des Schiffes. Und kaum dass er das Ruder ergriff, blähte der Sturmdie schwarzen Segel, und gewaltige Wellen trugen Naglfar hinaus auf die offene See. Hinaus zu den Gestaden Midgards.
    Odin flog auf Sleipnir über die Wolken. Nur wenige Augenblicke vergingen, bis er den Walkürenhügel erreicht hatte. Da standen

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