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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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zum Himmeltragen nicht einfach ein paar Zwerge?«
    Den Brüdern gefiel Odins Vorschlag, und so schufen sie die ersten vier Zwerge: Nordri, Sudri, Vestri und Austri. Sie legten das Himmelszelt auf ihre Schultern und wiesen sie an, immer starr ins Nichts zu blicken, jeder in seine Richtung. Von nun an war der Himmel behütet vor allen Gefahren, die da kommen könnten: aus dem Norden, dem Süden, dem Westen oder dem Osten. Aus Ymirs Gehirn aber formte Odin die Wolken und setzte sie an den Himmel.
    Als das getan war, betrachtete Odin ihre bisherige Arbeit.
    »Wir haben ein bisschen Erde, ziemlich viel Meer, einen ordentlichen Himmel und dann noch die Zwerge. Aber irgendwie habe ich mir das Ganze doch anders gedacht. Nicht so chaotisch.«
    Vili und Ve blickten sich um und zuckten die Achseln. Odin aber ließ sich nicht beirren.
    »Los, fasst mit an, wir heben die Erde noch etwasweiter aus dem Meer, sodass das Wasser nur noch wie ein Ring um das Land herumliegt.«
    Die Götterbrüder hoben also die Erde aus dem Meer, und kaum setzten sie ihre Füße darauf, begann das erste Gras zu wachsen.
    »Jetzt können wir uns ins Gras legen und den Himmel betrachten«, sagte Vili und wollte sich schon ausruhen, aber Odin scheuchte ihn auf.
    »Nichts da. Soll dieser öde Ort als das Werk der ersten Götter bekannt werden? Hier ist es nicht besser als in Niflheim. Alles sieht gleich aus.« Und schon eilte Odin davon, um aus dem Urstoff des toten Ymir eine wirkliche Landschaft zu formen. Aus Ymirs Gebeinen ließ Odin Gebirge entstehen, seine Zähne und Knochen verwandelte er in Steine und Felsen, die er über den Boden verstreute. Seinen beiden Brüdern, die immer noch faul auf dem Boden lagen, warf Odin wütend Ymirs zotteliges Haar hin und befahl ihnen, daraus Bäume und Sträucher zu flechten und alle Pflanzen, die es seither in der Welt gibt.
    So verging die Zeit. Immer neue Ideen setzte Odin um und verschönerte Himmel und Erde nach seinem Geschmack. Plötzlich aber wehte ein gewaltiger Windstoß heiße Luft und glühende Funken von Muspellheim herüber. Odin begutachtete gerade die Pflanzen und Blumen, die seine Brüder geflochten hatten, und er bemerkte nicht, wie sich einige der Funken in seinen Haaren verfingen. Natürlich brennen Götterhaare nicht, aber Vili und Ve bogen sich dennoch vor Lachen.
    »Oh, wie du heute strahlst, göttlicher Bruder«, riefen sie, »es geht so ein Leuchten von dir aus.«
    Zunächst fühlte Odin sich geschmeichelt, als er aber erkannte, dass seine jüngeren Brüder ihn verspotteten, beugte er sich über eine Wasserpfütze und betrachtete sein Spiegelbild.
    »Ihr könnt nur lachen wie dumme Riesen.« Odin blickte seine Brüder mitleidig an. »Ich aber mache daraus ein Gotteswerk.«
    Er löste die Funken aus seinen Haaren, drehte sie einmal in seinen Fingern und warf sie dann an den Himmel und nach Ginnungagap. Dort stehen sie nun und leuchten, und je nachdem mit wie viel Schwung Odin geworfen hatte, bleiben manche der Himmelslichter still an ihrem Platz, andere dagegen drehen sich und ziehen große Kreise. Doch die Sterne kannten ihren Platz noch nicht, wussten nicht, welchen Weg sie nehmen sollten durch die Dunkelheit. Da nannte Odin ihnen bestimmte Routen und die Stunden, in denen sie das Firmament durchwandern sollten. Und seither gibt es die Zeit.
    Als Odin betrachtete, was er und seine Brüder aus dem Urstoff des Riesen Ymir im Nichts erschaffen hatten, war er sehr zufrieden.
    »Ich muss sagen, ich habe meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Und auch ihr, Vili und Ve, habt eure Sache gut gemacht. Es ist nur schade, dass niemand da ist, um unser Werk zu bewundern.«
    Odin blickte ungeduldig von einem Bruder zum anderen.
    »Also, was meint ihr?«
    »Wir könnten unsere Spiegelbilder zu Leben erwecken«, schlug Vili vor, »dann wäre die neue Welt bevölkert mit unseren Doppelgängern.«
    Entsetzt schüttelte Odin den Kopf.
    »Was für ein unsinniger Einfall, im Augenblick reichen zwei Unter- und ein Obergott vollkommen aus. Was denkst du, Ve?«
    »Wie wäre es mit unseren Schatten?«, antwortete Ve. »Sie würden uns nur entfernt gleichen und wären dazu verdammt, immer über den Boden zu kriechen.«
    Aber auch diesen Vorschlag lehnte Odin kopfschüttelnd ab.
    »Nein, das ist alles nichts. Es muss verschiedene Wesen geben. Solche, die den Göttern ähneln, und ganz andere. Hässliche und schöne. Große und kleine. Kreaturen des Lichts und solche, die das Dunkel brauchen. Aber, da ich ...

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