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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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tatsächlich ihre Seele retten konnte, denn viel mehr war ohnehin nicht von ihr übrig. Bruder Subillais stand gereizt und mit schmerzverzerrtem Gesicht neben mir. Seit der Hinrichtung war er nicht zur Ruhe gekommen und die ganze Zeit auf den Beinen gewesen. Nun zuckte er bei jedem Schritt zusammen.
    Er war nicht gerade in versöhnlicher Stimmung. »Wie ich von Bruder Donadieu höre, habt Ihr Eurer Geständnis widerrufen«, sagte er.
    Madeleine nickte kaum merklich mit dem Kopf.
    »Ihr seid verstockt.«
    »Ich habe nichts zu bereuen. Ich liebe Gott und habe mich immer bemüht, ihm so gut wie möglich zu dienen.«
    »In diesem Fall werden wir das Verhör morgen früh fortsetzen.«
    Mit Ganachs Hilfe bewältigte Bruder Subillais die steilen Stufen, die aus der Einzelzelle hinaufführten.
    Ich blieb zurück und blickte auf Madeleine nieder. Mir schossen Bruder Subillais’ Worte durch den Kopf: »Sie ist eine Hexe.« War ich verhext? Hatte sie mir drei Jahre zuvor in Toulouse einen Liebestrank verabreicht, dessen Wirkung immer noch anhielt? Begehrte ich sie noch, obwohl sie inzwischen eine derart erbarmungswürdige Gestalt war? Ich versuchte, mich zu erinnern – hatte ich während meiner Besuche in Anselms Haus irgendetwas getrunken? Aber im Grunde war die Frage müßig, denn gewiss waren damals ein paar meiner Haare auf dem Boden zurückgeblieben, die sie bei Bedarf für ihre Zaubersprüche hätte verwenden können.
    War das der Grund, warum ich nicht von ihr loskam?
    »Warum habt Ihr Euer Geständnis widerrufen?«, fragte ich sie.
    »Vater Subillais möchte offenbar, dass ich unschuldige Menschen verleumde, um mir selbst Schmerz zu ersparen. Ich kann darin nichts Gutes oder Frommes sehen. Ich werde es deshalb nicht tun.«
    »Es würde Eure Qualen beenden.«
    »Meine Qualen würden damit erst beginnen. Mein Gewissen würde mich schlimmer peinigen als jedes Folterinstrument, das Vater Subillais aufbieten kann.«
    Noch konnte sie so reden – sie hatte schließlich noch keine nähere Bekanntschaft mit der Streckbank gemacht.
    »Ihr müsst doch keine schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Eure Freunde erheben«, wandte ich ein. »Sprecht von einer gotteslästerlichen Äußerung, einem beiläufigen Wort … Die Buße wäre gering! Gebt ihm, was er will.« Das darf nicht wahr sein, dachte ich. Du feilschst um Häresie und Buße wie ein gewissenloser Ablasshändler.
    »Er verlangt von mir, meine Schwestern im Kloster zu verraten, meine Familie, vielleicht die ganze Stadt … Das werde ich keinesfalls tun.«
    Ich wusste, dass es sinnlos war, das Gespräch fortzuführen, also kniete ich nieder und untersuchte die Wunden an ihren Händen und Füßen. »Es gibt keine Anzeichen für eine Entzündung«, bemerkte ich – nicht, um sie zu beruhigen, sondern aus reinem Erstaunen. In diesem schmutzigen, feuchten Verlies hätte sich eigentlich jede offene Wunde entzünden und mit Eiter füllen müssen.
    Ich dachte an Anselm, an seine hängenden Schultern, daran, wie er am Morgen durch die Rauchschwaden davongetrottet war. Diese Erinnerung bestätigte mich noch einmal in der Entscheidung, die ich getroffen hatte. »Trinkt dies.«
    »Was ist das?«
    »Der Trank wird Euch helfen zu schlafen. Ihr braucht morgen all Eure Stärke.«
    Als sie das Fläschchen geleert hatte, erhob ich mich. Sie warf mir einen hasserfüllten Blick zu. »Ich habe Euch einmal geliebt. Ich hielt Euch für den vollkommensten aller Männer. Was ist nur aus Euch geworden …«
    »Prüft Eure eigene Seele, Madeleine de Peyrolles, nicht meine. Denkt über Eure Sünden nach und seid darauf gefasst, bei Tagesanbruch Vater Subillais gegenüber ein vollständiges Geständnis abzulegen.«
    Ich erklomm die Stufen, und Ganach schlug die Falltür hinter mir zu. Wir überließen Madeleine de Peyrolles ihren Sünden.

ELEONORE
    Ich erhielt direkt am Abend jenes Tages, an dem Agnes Roiand verbrannt worden war, den Auftrag, meinem Herrn und Meister den Rücken zu schrubben. Eimerweise heißes, mit getrockneten Rosenblüten versetztes Wasser war in unser Schlafgemach gebracht worden, da mein Gatte dort sein Bad nehmen wollte. Der Zuber hatte die Form eines großen Fasses und enthielt einen Schemel, damit Raymond so lange einweichen konnte, wie es ihm beliebte. Manchmal pflegte er während seines Bades sogar Besucher zu empfangen, so auch an jenem Abend. Es war Vater Subillais, der humpelnd hereinschlurfte und sich dabei schwer auf seinen Stock stützte. Ich war überzeugt, dass

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