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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Falconer
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hatte, wohl, um sie zu zähmen.
    Verbrennungen wurden stets an einem Sonn- oder Feiertag vollzogen, damit die Bevölkerung daran teilhaben konnte. Was für einen Sinn macht eine Verbrennung, wenn niemand zuschauen kommt?, pflegte Raymond zu sagen.
    Agnes war an den Knöcheln, unter und über den Knien, um die Leibesmitte und an den Händen mit Stricken gefesselt. Um ihren Hals lag eine Kette. Sie war wohl kaum bei Bewusstsein. Ich zweifle daran, dass sie begriff, was mit ihr geschah.
    Vater Donadieu betete lauter, um das Knistern und Knacken der Reisigbündel zu übertönen. Der stürmische Wind fachte das Feuer an. Leider muss ich zugeben, dass einige von uns näher herantraten, um sich zu wärmen. Doch schon bald bliesen die Windstöße uns erstickenden schwarzen Rauch in die Gesichter, sodass wir gezwungen waren, wieder zurückzuweichen.
    Vater Subillais saß auf einem grauen Pferd und beobachtete das Geschehen. Wegen seines verletzten Beines vermochte er die Zeremonie nicht selbst durchzuführen. Der Feuerschein erhellte seine Gesichtszüge. Er fand offenbar nicht so großen Gefallen an dem Schauspiel wie manche der Stadtbewohner.
    Auch Sicard Paylaurens befand sich unter den Zuschauern. Unsere Blicke trafen sich. Ich kannte sein Geheimnis, doch er wusste nichts von meinem.

BERNARD
    Die ketzerische Nonne wurde vor den Toren der Stadt verbrannt, Ehre sei Jesus Christus, unserem Herrn und Erlöser, Amen.
    Von Norden wehte ein stürmischer Wind, der nach Schnee roch. Ich selbst führte die Prozession aus der Stadt hinaus, begleitet von den Kanonikern in den entsprechenden Ornaten und unter dem Zeichen des Heiligen Kreuzes. Der Seigneur erwartete uns an dem vereinbarten Ort außerhalb der Stadtmauern.
    Trotz der Kälte und Trostlosigkeit des Morgens waren nur wenige Stadtbewohner zu Hause geblieben, denn die Bevölkerung fand stets großes Vergnügen an Hinrichtungen. Der eigentliche Zweck von öffentlichen Hinrichtungen bestand natürlich darin, den Menschen die Folgen der Ketzerei vorzuführen, und in dieser Hinsicht war die Anwesenheit möglichst vieler Zuschauer durchaus wünschenswert.
    Die Männer des Seigneurs standen mit Fackeln in der Hand rings um den Scheiterhaufen. Schließlich war die Verbrennung von einem weltlichen Gericht angeordnet worden. Mein Ordensbruder, Père Michel, der Abt und die Kanoniker waren lediglich als Zeugen zugegen.
    Als der Ochsenkarren mit der an Händen und Füßen gefesselten Agnes herankam, ging ein Raunen durch die Menge. Die Gegenwart so vieler Menschen schien Agnes zu erschrecken, denn sie begann zu heulen wie ein Wolf. Schaum trat ihr vor den Mund.
    Dieser Anblick machte die vor Kälte zitternden Zuschauer lebendig. Einige der Kinder johlten und schleuderten Dreck und Steine nach Agnes, andere rannten vor, um sie anzuspucken, zogen sich aus Angst aber ebenso schnell wieder zurück, obwohl Agnes gefesselt war.
    Die Dämonen in ihrem Leib versuchten nun zu entfliehen, da sie wussten, dass sie mit ihr in den Flammen sterben würden. Agnes warf sich auf dem Karren zu Boden, wand sich in Zuckungen und schlug so heftig um sich, dass die beiden ausgemergelten Ochsen zu taumeln begannen.
    Als die Männer des Seigneurs sie schließlich vom Karren hinunterzerrten, schien sie gar nicht mehr wahrzunehmen, was mit ihr geschah.
    Sie schleiften Agnes zum Scheiterhaufen, banden sie fest und häuften Reisigbündel rings um sie an, bis nur noch ihr Kopf zu sehen war.
    Nachdem alles vorbereitet war, nickte der Seigneur mir zu. Ich trat zu Agnes und bot ihr die letzten Tröstungen der Kirche dar. Im Angesicht des Kreuzes verschwanden die Teufel aus ihren Augen. Demutsvoll legte sie ihre Beichte ab, was mich ungeheuer erleichterte.
    Dann war es so weit.
    Die Männer des Seigneurs setzten die Reisigbündel in Brand. Der beißende Rauch ließ meine Nasenflügel zittern. Ich sprach ein Gebet für Agnes’ Seele, mit lauter Stimme, um ihr Stöhnen zu übertönen. Ihre Qualen mussten furchtbar sein. Das Feuer begann erst richtig zu brennen, als einige Windstöße hineinfuhren.
    Ich blickte mich um und war überrascht, den Templer zu sehen, Christian de Saint Ybars, der aus Richtung Maurac herbeigeritten kam. Sein weißer Umhang mit dem roten Kreuz leuchtete im fahlen Licht der Sonne. Er hielt irgendetwas in der rechten Hand.
    Er sprang von seinem Schlachtross und schritt auf den Scheiterhaufen zu. Die Männer des Seigneurs starrten ihm beunruhigt entgegen. Vielleicht fürchteten sie eine

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