Die Novizin
ab, dann wird die Kirche Euch wieder mit ihren liebenden Armen umfangen.«
Ich berührte seine Finger mit den meinen.
»Blickt in Euer Herz«, sagte er. »Begreift doch, dass Gott sich über jedes verlorene Lamm freut, das zu ihm zurückfindet. Verbannt den Stolz aus Eurer Seele und übt Euch in Reue.«
Einen Augenblick lang empfand ich sogar eine Art von Liebe für ihn. Er hatte mich vor Qualen bewahrt, nun würde er mich vor der Hölle bewahren.
»Möchtet Ihr ein Geständnis ablegen?«
Ich richtete mich auf, bis ich vor ihm kniete, und küsste den Saum seines Habits.
Dann tat ich, was er von mir verlangte. Ich gestand all die Sünden, derer er mich beschuldigte, und der Notar schrieb sie sorgfältig auf.
Ich glaubte, der Alptraum sei vorüber. Nun wollte ich nur noch, dass jemand mir ein paar freundliche Worte sagte und versprach, dass ich nicht wieder in jenes finstere Loch geworfen würde, wo die Ratten und die bittere Kälte an mir nagten. Dass ich nicht wieder in das Verlies gebracht würde, wo jener schreckliche Mann mit der Kapuze auf mich wartete.
»Madeleine de Peyrolles, Ihr müsst uns nun die Namen Eurer Komplizen verraten.«
»Meiner Komplizen?«
»Als Zeichen Eures treuen Glaubens und guten Willens.«
Ich verstand seine Frage nicht. »Aber ich hatte keine Komplizen.«
»Wer hat von Euch Zaubertränke bekommen? Wer hat sich in Eurer Gegenwart abfällig über die Kirche und ihre Priester geäußert?«
»Niemand, Vater.«
Einige Zeit lang herrschte Schweigen. Dann fuhr er mit verändertem Tonfall fort: »Wenn wir Euch von Euren Sünden lossprechen sollen, müsst Ihr ein vollständiges Geständnis ablegen, Madeleine de Peyrolles.«
Ich blickte in sein Gesicht hoch. Trotz meiner Tränen sah ich, dass ein harter Ausdruck in seine Augen getreten war. Seine Lippen waren weiß vor Zorn.
»Ich habe alles gestanden, Vater. Es gibt keine Komplizen.«
»Überlegt Euch gut, was Ihr sagt und was es für Euch bedeuten könnte.«
»Ich sage die Wahrheit!«
»Ihr wisst nicht, was die Wahrheit ist. Was soll ich nur mit Euch machen?«
»Bitte, Vater! Ich habe ein Geständnis abgelegt. Ich bin eine treue Anhängerin der Kirche! Was wollt Ihr denn noch?«
»Ich will einen Beweis für Euren treuen Glauben.«
»Den habe ich durch mein Geständnis gegeben!« Ich klammerte mich an sein Habit, doch er riss mir den Saum aus der Hand und humpelte davon.
»Nennt uns die Namen Eurer Komplizen, oder es wird Euch noch schlechter ergehen!«
Ich warf Bernard einen Blick zu. Sein Gesicht war wie versteinert.
»Ihr verlangt von mir, ein falsches Zeugnis abzulegen.«
»Ich verlange von Euch, Eure Seele von der Sünde zu reinigen.«
»Indem ich meine Freunde verrate?«
»Indem Ihr jene rettet, die ansonsten zum Fegefeuer verdammt sind.«
Ich wollte ihm die Namen nennen, das könnt Ihr mir glauben. Es war nicht Tapferkeit, die mich davon abhielt, Unschuldige zu verraten. Aber meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich brachte keinen Ton heraus.
»Lasst sie darüber nachdenken«, sagte Vater Subillais schließlich. »So Gott will, wird sie morgen vielleicht echte Reue zeigen. Falls nicht, werden wir wohl einen anderen Weg gehen müssen.«
Ganach und einer der Wärter schleiften mich auf dem Rücken aus der Wachstube. Schreie hallten durch die Korridore. Es müssen meine gewesen sein.
ELEONORE
Schwester Agnes Roiand wurde im Morgengrauen den Flammen übergeben. Rechtlich gesehen war es nicht die Kirche, die jene bedauernswerte Frau zum Tode verurteilt hatte. Als sie während des Ketzergerichts der weltlichen Gerichtsbarkeit und damit Raymond überstellt worden war, hatte Vater Subillais um Barmherzigkeit gebeten. Doch dies war natürlich ein Schachzug geschickter gewesen – Barmherzigkeit war undenkbar. Hätte mein Gemahl in Erwägung gezogen, Gnade zu zeigen, wären wir in den Verdacht geraten, Häretiker zu begünstigen und von Subillais sofort zugrunde gerichtet worden.
Uns blieb also keine andere Wahl. Pflichtbewusst verbrannten wir eine Schwachsinnige, um unsere eigene Haut zu retten.
*
Die bleiche Sonne stieg langsam an einem trostlosen Himmel empor. Die Söldner stampften auf der Stelle, um sich warm zu halten. Von Norden fegten kalte Winde heran, die an den Ohren brannten. Eine Gruppe von Menschen trat durch das Westtor, angeführt von Vater Donadieu, der laut aus einem Gebetbuch las. Hinter ihm folgte Agnes Roiand auf einem Ochsenkarren. Ihrem Gesicht war anzusehen, dass man sie geschlagen
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