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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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Öffentlichkeit erfuhr nichts von ihren Überlegungen.
    Dabei war diese Diskussion nur die jüngste in der langen Reihe privater Auseinandersetzungen, die bis in die Anfangszeit ihrer Beziehung zurückreichten. Es gibt Politikerpaare, die Hand in Hand auf Macht, Prominenz und Ruhm zusteuern und hoffen, eines Tages die Chance zu bekommen, in das berühmteste Haus des Landes einzuziehen. Doch die Obamas sind anders. Jeder Entscheidung Barack Obamas in seiner politischen Karriere, jeder Rede, Ankündigung und jedem Wahlkampf waren zahlreiche private, aufrichtige Debatten mit seiner Frau über das Wesen der Politik vorausgegangen. Barack Obama glaubte, dass er über die Politik einen echten, dauerhaften Wandel bewirken und scheinbar unüberwindliche Schranken durchbrechen könne, dass seine Karriere sein Familienleben nicht ruinieren und dass seine Frau in seinem Universum einen akzeptablen Platz für sich finden würde. Michelle wollte dies nur allzu gerne glauben, und manchmal gelang ihr das auch. Doch im Laufe der Jahre schlichen sich Zweifel ein. Nicht ohne Grund.
    ***
    Die beiden waren sich zum ersten Mal im Sommer 1989 begegnet, in der Chicagoer Anwaltskanzlei Sidley & Austin. Barack Obama studierte Jura an der Harvard Law School und absolvierte in den Sommerferien nach seinem ersten Studienjahr in dieser Kanzlei ein Praktikum; Michelle La Vaughn Robinson hatte kurz zuvor ihren Abschluss gemacht und sollte ihn als Mentorin unter ihre Fittiche nehmen. Zunächst beobachtete er sie, während sie in der Hand-Bibliothek der Kanzlei arbeitete, und wenn er in ihr Büro kam, wirkte sie betont uninteressiert. Doch sobald er wieder draußen war, drehte sie sich mit offenem Mund und hochgezogenen Augenbrauen zu der Kollegin um, mit der sie das Büro teilte.
Wow.
    Bald schwärmten beide, Michelle und Barack, Freunden vor, wie smart der jeweils andere war. Barack war weltgewandter und reifer als die meisten anderen Jurastudenten und verfügte über eine faszinierende Entschlossenheit, Hindernisse zu ignorieren und große Träume zu verfolgen. Er war noch keine dreißig, hatte aber bereits in Indonesien und auf Hawaii gelebt, wo er aufgewachsen war, und hatte in Chicago Nachbarschaftshilfe für sozial Schwache geleistet. Nachdem er als erster Schwarzer zum Präsidenten der
Harvard Law Review,
der prestigeträchtigsten juristischen Fachzeitschrift des Landes, gewählt worden war, schrieben Zeitungen im ganzen Land über ihn, und seine neue Freundin daheim in Chicago bekam einen ersten konkreten Hinweis darauf, was in ihm steckte.
    Während Barack gleichsam Michelles Horizont erweiterte, bot sie ihm etwas, das er nie zuvor gehabt hatte: die Aussicht auf ein stabiles Familienleben. Er war in einem ungewöhnlichen Umfeld aufgewachsen und als Kind viel allein gewesen. Sein Vater, ein kenianischer Staatsbürger mit Universitätsabschluss, war nach Afrika zurückgekehrt, als Barack zwei Jahre alt war, und hielt kaum Kontakt zu seinem Sohn; er trank zu viel und kam schließlich bei einem Autounfall ums Leben. Baracks Mutter, eine in Kansas geborene Anthropologin, schickte ihren Sohn zu den Großeltern nach Hawaii, während sie in Indonesien arbeitete. So wurde Obama zum Außenseiter und zugleich außergewöhnlich selbständig. Kommilitonen beschrieben ihn als ausgesprochen ernsthaft und als einen Einzelgänger, der sich kaum je auf den Erstsemester-Partys blicken ließ.
    Michelle Obama war bis dahin nie längere Zeit mit einem Mann zusammen gewesen. Sie war eine beeindruckende Erscheinung, leidenschaftlich, loyal und mit einem scharfen Witz gesegnet. Aber sie konnte auch streng sein und stellte Ansprüche an andere, die diese oft übertrieben fanden. Sie scheute sich nicht, andere zurechtzuweisen, wenn sie glaubte, diese hätten einen Fehler begangen. Genau diese Maßstäbe waren es, die Barack reizten. Er wollte sein Potenzial voll ausschöpfen und sich gegen die Bitterkeit und die Enttäuschung wappnen, die das Leben seines Vaters geprägt hatten. Er suchte eine Partnerin, die »ihm helfen würde, sich daran zu erinnern, wozu er da war und wer er war«, erzählte seine Halbschwester Maya Soetoro.
    Die wachsende Zuneigung von Michelle La Vaughn Robinson und Barack Obama beruhte auf ihrem gemeinsamen leidenschaftlichen Engagement für den gesellschaftlichen Wandel. Beide hatten eine Zeit an Eliteuniversitäten
und
in den ärmsten Vierteln von Chicago verbracht. Sie wussten aus eigener Erfahrung, in welchem Maße sich bestimmte Faktoren

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