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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Kantor
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wie eine fundierte Ausbildung, ein Arbeitsplatz oder gute Gesundheit positiv auswirken konnten, während soziale Benachteiligungen fast automatisch zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen führten. Die beiden jungen Juristen glaubten, dass die Kluft zwischen Arm und Reich weniger mit Talent oder harter Arbeit zu tun hatte als mit Zufällen, Macht, Zugangschancen und Wohlstand.
    Hinter dem Rücken der Kanzleiinhaber tadelte Barack, der über das soziale Engagement zum Jurastudium gekommen war, seine Studienkollegen dafür, dass sie lukrative Karrieren in der Privatwirtschaft anstrebten. Nach Feierabend fragte er sie bei einem Glas Bier, was sie später machen wollten. Bank oder Kanzlei, sagten die meisten. Was sie damit anfangen wollten, bohrte er weiter. Vorankommen, entgegneten sie, für unsere Familien sorgen. Solche Antworten ließ Barack nicht gelten. Er machte sich nichts aus Geld und tat sich manchmal schwer mit Leuten, die nicht so dachten wie er selbst. »Es sollte um mehr gehen, darum, was ihr den Menschen zurückgeben könnt«, sagte er, wie sich ein ehemaliger Studienkollege, Thomas Reed, später erinnerte.
    Obama sah sich selbst unter anderem als Schriftsteller; nachdem er die Leitung der
Harvard Law Review
übernommen hatte, wurde ihm angeboten, ein Buch über interethnische Beziehungen zu verfassen. Allerdings stürzte er sich ohne große Planung in das Projekt, änderte das Thema und schrieb stattdessen seine Memoiren. Doch da er sich auch noch die Leitung eines Projekts aufgehalst hatte, bei dem es um die Eintragung von Stimmberechtigten in Wählerlisten ging, konnte er den Abgabetermin nicht einhalten. Nach der Hochzeit 1992 verbrachte er einige Wochen allein auf Bali, wo er an seinem Manuskript herumdokterte, und auch in Chicago zog er sich zum Schreiben immer wieder für Stunden zurück. Michelle war oft allein in dieser Zeit. »Barack Obama gehört nicht dir«, sagte Yvonne Davila, eine Freundin, zu ihr und meinte damit, dass es für ihn wichtigere Dinge gebe als seine Familie. Immer wieder bekam Michelle Obama solche ominösen Kommentare über ihren Mann zu hören, und allmählich stellte sie sich die Frage, wo sie bei den weitreichenden Ambitionen ihres Mannes blieb, ganz zu schweigen von seiner Eigenbrötlerei und seinem Hang, die eigenen Kräfte zu überschätzen.
    ***
    In dieser Zeit erkannten die Obamas zweierlei: Michelle passte nicht recht in die Welt der Politik und des Regierens, und – das musste sich Barack eingestehen – auch er tat sich manchmal schwer.
    1991 gab Michelle ihre Stelle bei Sidley auf und übernahm eine Beratertätigkeit im Büro des Bürgermeisters von Chicago. Richard M. Daley war neu im Amt, und es sollte sich erst noch herausstellen, ob und inwiefern er sich als Erbe des von seinem Vater installierten Machtapparats entpuppen würde. Daley senior hatte sich seinerzeit als Bürgermeister gegen die Aufhebung der Rassentrennung in den Schulen ausgesprochen, und sein ganzes Handeln war ethisch zuweilen fragwürdig gewesen. Auch die erste Bewerbung seines Sohnes um das Bürgermeisteramt hatte in einem hässlichen Gezänk über Rassenfragen geendet. »Da sie in einer stolzen afroamerikanischen Familie aufgewachsen ist, war sie sich nicht sicher, ob es einen Konflikt zwischen ihren und seinen Werten geben würde«, sagte Valerie Jarrett, die Michelle Obama bei der Stadt für den Posten als Beraterin angeworben hatte und bald eine Art Mentorin für die beiden Obamas werden sollte. Jarrett war der beste Beweis für die Art und Weise, in der sich der jüngere Daley von seinem Vater unterschied. Sie war jung und elegant, hatte Top-Abschlüsse vorzuweisen und stammte aus einer etablierten afroamerikanischen Familie. Sie war in Hyde Park zu Hause, einem Viertel, das eigentlich gegen Daley war, aber sie glaubte, dass man durch Arbeit innerhalb des Systems an Macht gewinnen und so die Dinge ändern könne.
    Ein Teil von Michelles Arbeit war unkompliziert, zum Beispiel, als es einmal darum ging, während einer großen Überschwemmung Geschäftsleuten zu helfen. Aber in ihrer Eigenschaft als Verbindungsfrau zu Behörden, die sich um die besonders schutzbedürftigen Teile der Bevölkerung – Ältere, Behinderte, Kinder – kümmerten, war sie erschüttert, in welchem Ausmaß Projektentscheidungen durch Beziehungen und Gefälligkeiten beeinflusst wurden. Es war »die hässliche Schattenseite der Stadtverwaltung, die offenbarte, wie Entscheidungen getroffen oder nicht

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