Die Obamas
blieb skeptisch.
Andererseits: Wenn er schon kandidieren wollte, dann würde sie ihn nicht verlieren lassen. Bei dieser ersten Wahlkampagne rieb sich Michelle Obama regelrecht auf und versuchte, das Niveau durch ein schönes Wahlkampfbüro und eine erstklassige Benefizveranstaltung im örtlichen Museum für die Geschichte der Schwarzen zu heben – nichts Aufgedonnertes oder Abgeschmacktes.
Sie entschied persönlich, wer bei seiner Kampagne auftreten durfte und wer nicht. Wenn ein freiwilliger Helfer versprach, dreihundert Unterschriften für die Bewerbung ihres Mannes um den Senatssitz zu sammeln, »waren zweihundertneunundneunzig nicht genug, weil das Ziel dreihundert lautete«, sagte Carol Anne Harwell, die Wahlkampfmanagerin. »Michelles Zorn war ihm sicher.«
Und zum ersten, aber nicht zum letzten Mal in seiner politischen Karriere half Michelle ihrem Mann dabei, Kontakt zu den Wählern aufzubauen. Gelegentlich stolperten die Wähler über Barack Obamas ungewöhnlichen Namen, manche wurden sogar ausfallend. Einer mit so einem Namen stammte ganz sicher nicht von der South Side. Aber wenn Michelle Obama im Auftrag ihres Mannes an die Türen klopfte, war es im Viertel instinktiv allen klar, dass sie und folglich auch er einer von ihnen war.
***
An einem Nachmittag im Dezember 2003 trafen sich die Obamas mit Freunden und Verwandten in einem Naturschutzgebiet der Hawaii-Insel Oahu, um die Hochzeit von Maya Soetoro und Konrad Ng, einem kanadischen Studenten chinesischer Abstammung, zu feiern. Mit dabei waren auch die beiden kleinen Töchter der Obamas, Malia und Sasha, beide in rot-weißen Sommerkleidern. Das Brautpaar hatte Barack gebeten, die Hochzeitszeremonie mit ein paar Worten einzuleiten. Er trat, im Hintergrund die spektakuläre Kulisse, vor die versammelte Gemeinde. Sattgrüne Wiesen, mächtige Klippen, der Pazifik in glänzendes Licht getaucht. Hin und wieder strich ein Pfau vorbei. Doch seine Worte hatten so gar nichts Romantisches an sich. Er sprach offen über die Schwierigkeiten, eine gute Ehe zu führen. Die Chancen auf dauerhaftes Glück stünden nicht gut. »Unsere Gesellschaft hat uns nicht unbedingt so geformt, dass wir unsere Beziehungen auf Dauer aufrechterhalten können«, lauteten seine Worte, wie Ng sich erinnerte. Karrieren, und erst recht Kinder, könnten die Partner in unterschiedliche Richtungen zerren, warnte er.
Nur wenige Gäste wussten, dass sich die Ehe der Obamas damals an einem Tiefpunkt befand. Barack hatte den Senatssitz erobert, aber die Zeit in Springfield war für beide eine bittere und frustrierende Erfahrung. Die Gesetzesinitiativen, die Barack angestoßen hatte, wurden meist nicht einmal angehört, und einige seiner neuen Kollegen – immerhin ebenfalls Demokraten – mokierten sich über seinen Namen. Ihr Mangel an Ernsthaftigkeit machte ihn wütend. »Er rief mich an und sagte: Soundso ist ein Idiot. Diese Leute verdienen eine Sechs!«, erzählte Carol Anne Harwell.
Michelle wiederum gelangte an ihre Grenzen, als ihr Mann sich im Jahr 2000 auf eine miserabel geplante Kampagne gegen Bobby Rush einließ. Rush war ein US -Kongressabgeordneter und ehemaliger Black Panther, der in der Chicagoer South Side über hervorragende Beziehungen verfügte. Er schmetterte Obama bei den Vorwahlen der Demokraten für das Repräsentantenhaus mit Leichtigkeit ab, indem er ihn als aufgeblasenen Quereinsteiger bezeichnete, dessen hochfliegende Reformideen niemandem helfen würden, der gerade arbeitslos war. Auch Michelle übte Kritik an ihm: Barack sei egozentrisch und habe unrealistische Ziele. Er versuche gleichzeitig, für den Kongress zu kandidieren, in Springfield Politik zu machen, nebenher Jura zu lehren und ein guter Vater und Ehemann zu sein. Die Kluft zwischen den Eheleuten war so tief, dass sie zwei Jahre brauchten, bis sie überwunden war, sagte der Präsident später.
Obwohl es Michelle lieber gewesen wäre, wenn er sich für eine beständigere, ruhigere und nicht zuletzt lukrativere Karriere entschieden hätte, war sie der Meinung, dass er zu kleine Brötchen backte. Wenn ihr Mann schon Politiker sein wolle, sollten seine Leistungen wenigstens so bedeutend sein, dass sie die gebrachten Opfer rechtfertigten. Michelle erinnerte ihn immer daran, wie sehr er »dank seines Potenzials und seiner Stärke« dazu befähigt sei, »Veränderungen herbeizuführen«, wie Maya Soetoro es später formulierte. Obama litt immer noch darunter, dass er gegen Rush verloren hatte, und
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