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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Ual?“
    „Im Heiratsalter.“
    „Ich meine, wie viele Jahre?“
    „Das ist ein Wort, das ich nie habe begreifen können.“
    Sie ließen sich nebeneinander auf einem Diwan mit Baumwollpolstern nieder. Kiril erklärte ihr, was ein Jahr war, und sie lachte. Ohne Obelisken-Texte, die die Menschen beeinflußten, war Hegira praktisch zeitlos, unterteilt nur in Tag und Nacht. Jahreszeiten waren nicht wichtig, wenn die vorherrschenden Winde warm waren und die Strömungen tagaus, tagein tropische Brandung brachten.
    „Ich bin viele, viele Tage alt“, sagte sie. „Ich muß viele Jahre alt sein, vielleicht fünfzig.“
    „Nein“, sagte er. „Du kannst keine fünfzig sein. Ich würde eher schätzen, daß du um die zwanzig bist. Zweiundzwanzig vielleicht.“
    „Das muß dein Alter sein.“
    „So ungefähr“, sagte er. „Ich bin einundzwanzig, sehr jung.“
    „Im Heiratsalter.“
    „Aber ich kann nicht bleiben.“
    „Mach’ dir nichts draus. Ich werde viele andere Gatten haben, vielleicht schon, bevor du gehst.“
    Er krampfte die Hände zwischen den Knien zusammen und schluckte. Das hatte er beinahe vergessen. Etwas schmerzte tief in ihm, und es waren nicht seine verheilenden Rippen.
    „Ich bin das nicht gewöhnt, Ual“, sagte er. „Da, wo ich herkomme, kann ein Mann nur eine Frau haben.“
    „Hier auch, manchmal“, sagte sie.
    „Aber eine Frau kann ebenfalls nur einen Gatten haben.“
    „Oh.“ Sie blickte auf seine Hände und legte ihre Hand darauf. „Hör zu. Ich bin hier eine bedeutende Frau. Viele Männer wollen mich heiraten. Aber ich bin bedeutend genug, daß ich keine weiteren Ehemänner annehmen muß, falls du sie nicht willst – nicht bis nach deiner Abreise. Das Schiff bleibt bestimmt noch …“ Sie hielt inne. „Dreißig oder vierzig Tage. Den Teil eines Jahres. Ich kann warten. Ich mag dich gern genug, um zu warten.“
    Er wußte nicht, was er machen sollte. Aber jemand in seinem Inneren wußte es. Er hob ihre Hand an seinen Mund und drückte einen Kuß darauf. Es erinnerte ihn daran, wie er Elenas Hand geküßt hatte, aber nicht auf unangenehme Art. Es war, als wären alle Frauen auf gleiche Weise wunderbar, als geböten sie über die gleiche Befähigung, zu besänftigen und zu trösten, anzuziehen … und schrecklich wehzutun, wenn er die Dinge nicht richtig handhabte. Wenn er etwas Falsches tat. Er fühlte sich ganz durcheinander, aber wundervoll. „Ich bin geehrt“, flüsterte er.
    „So ist’s genau richtig“, sagte sie. „Jetzt weiß ich, warum ich dich ausgesucht habe. Du bist auch noch Jungfrau!“
    Kiril öffnete und schloß seinen Mund wie ein Fisch. Er ärgerte sich über ihre Folgerung um so mehr, da sie wahr war. Er blickte sie unverwandt an. „Warum solltest du dir eine Jungfrau aussuchen wollen? Wir werden beide im Dunkeln herumstolpern.“
    „Keiner wird dem anderen etwas voraus haben … Beide werden lernen.“
    Sie war nicht näher an ihn herangerückt, aber die Wärme ihres Körpers und ihr zartes Parfüm bedrängten ihn nichtsdestotrotz. Auf den Obelisken fanden sich viele Texte, die intime Details der Liebesgewohnheiten der Erstgeborenen preisgaben. Es bestand keinerlei Grund zu der Annahme, daß die Dinge auf der fernen Insel Golumbine irgendwie anders waren. Aber küßten sie hier mit den Lippen?
    Es war nötig für ihn, es herauszufinden.
    Sie taten es, und offenkundig aus langer Tradition.
    Er war immer noch unsicher, als sie seinen Nacken streichelte und an seiner Nase knabberte. Aber er vermerkte mit einigem Stolz, daß es keine schwächende und entkräftende Beklemmung war. Er wußte wenig darüber, wie man eine junge Frau entkleidete, aber die Gewänder Golumbines waren nicht annähernd so beschwerlich abzuziehen, wie jene Mediwewas es gewesen waren. Er erinnerte sich wehmütig daran, es zu verschiedenen Malen bei Elena versucht zu haben. Wären die Korsetts und Hüfthalter weniger hinderlich und im Zaume haltend gewesen, hätte sie vielleicht gar nachgegeben und eingewilligt! Aber er war plumpfingrig gewesen, in Unkenntnis der kniffligen Geduldsspiele, die, wenn gelöst, leichten Zugang gewährten. Voller Entmutigung hatten sie beide abgelassen.
    Ual ließ nicht ab. Sie half. Langsam gewöhnte er sich an ihre Bereitwilligkeit, aber es dauerte einige Zeit, bis er ihre enervierende Vertrautheit mit seiner eigenen Bekleidung und seiner eigenen Person hinnehmen konnte.
    Er dachte an Elena, nicht mit Schuldgefühlen, sondern mit scharfem, Kummer

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