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Die Obelisken von Hegira

Die Obelisken von Hegira

Titel: Die Obelisken von Hegira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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bereitendem Schmerz. Von Rechts wegen hätte dies ihre Nacht sein müssen, ihr Privileg – nein, ihr Privileg, Elenas und seines – und nicht die lächelnde, bereitwillige Wonne einer umberhäutigen Frau in einem Land, von dem Elena nie gehört hatte. Und obwohl er dies wußte und den jähen Stich verspürte, begriff er mit mehr als seinem Verstand, daß er keine Wahl hatte.
    Das ganze Golumbine forderte eine Wiedergeburt. Wer war er, sich dagegen zu sträuben? Er ging mit ihr in einen mit kleinen Öllampen erhellten Raum, in dem eine dicke, weiche, aus Schilf und Baumwollgarn gewobene Matte mit einem Laken aus feinem Linnen darauf wartete. Das Laken war bedruckt mit Klötzchen und Kreisen in Purpur und Braun. Als sie ihr letztes Kleidungsstück ablegte, ein winziges Höschen mit einem Rock darum herum, fühlte er, wie sein gesamter Brustkorb abwechselnd im harten Gegentakt seines Herzens und seiner Lungen schwächer und stärker wurde. Es war ein nie zuvor verspürtes tumultuöses Flattern, eine dickflüssige Erregung, die eine Mixtur aus tödlichem Erschrecken und Stolz war.
    Er hatte Angst, ihr wehzutun. Sie zog ihn nieder, und ihre Augen waren so dunkel im schwachen Schein der Lampe, daß er das Weiße nicht sehen konnte, nur schmale Klüfte von Braun, fast Schwarz. Ihr Mund war offen und ließ all ihre Zähne sehen.
    Später, als ihre Lenden und Schenkel sich karmesinrotgefärbt hatten, ergriff sie seine Hand und zog ihn vom Bett herunter. Sie raffte das Leintuch zusammen und schnitt es mit einem scharfen Messer in dünne Streifen. Anschließend durchtränkte sie es im Wohnraum mit Öl und übergab es dem Feuer. Sie hockte sich davor nieder, ein furchtbares, jugendliches Götzenbild, und in ihren Augen spiegelten sich die Flammen wider.
    Sie reinigte sich und ihn mit einem weichen, feuchten Lumpen und legte ein anderes Laken als das erste auf. Kiril hatte Mühe, gleich einzuschlafen. Eine Stunde oder mehr blieb er länger wach als Ual und starrte in das Dunkel.

 
     
15
     
     
    Vögel erhoben sich vom See, rosa und weiß und mitternachtsblau, als Bar-Woten sein Paddel ins Wasser tauchte und das Schilfboot vorwärtsschießen ließ. Dschungel umgab den See von allen Seiten und schob sich sogar bis in ihn hinein, mit grotesk verdrehtem Wurzelwerk. Auf den Wurzeln scharten sich Vögel und Wassereidechsen in zeterndem Widerstreit. Der Himmel war ein heißes, blasses Blau. Der Norden war nicht länger dunkel. Durch ein rauchgeschwärztes Glas war ein grelles Band aus Licht auszumachen, das vom westlichen Obelisken ausging und sich dort, wo der nördliche Obelisk gewesen war, zu einer eiförmigen Ausbuchtung verdickte.
    Wo er eben noch sein Paddel hatte eintauchen wollen, hob sich ein Kopf mit glitzernden, irisierenden Augen aus dem Wasser und ließ ihn seinen Arm blitzschnell zurückziehen. Der Kopf verschwand, und Wasser schäumte, als ein Schwanz es aufpeitschte. Dies war kein See für einsame Schwimmer. Insekten, so lang wie ein Finger, huschten darüber hinweg und stießen dann und wann nach unten, um kleine Fische mit teuflischen Beißkiefern aufzuspießen. Ebenso leicht konnten sie eine Hand durchbeißen. Weiße Schlangen – ein delikates Beigericht für die Golumbianer – sammelten sich in treibenden Filigrankolonien, um zu schwimmen und sich zu sonnen.
    Der See war eine Lebenssuppe. Zu einem Ende hin war er lauwarm und brackig, eine klumpige Masse blutegelverseuchten Schilfs und verfilzter Algenmatten. Aber sein Geruch beleidigte die Nase nicht allzu sehr, weil der Wind frisch und kräftig war. Der Wind trocknete auch den Schweiß von seiner Paddelei und ließ den Dschungel summen und pfeifen. Ein Spinnwebengestöber trieb von den Bäumen herab.
     
    Er ließ das Boot auf einem Erddamm auflaufen und zog es aus dem Wasser. Dann setzte er sich auf einen bemoosten Felsen, um nachzudenken. Sein Fuß fand einen Halt in dem gefleckten grauen Stein, und er beugte sich nieder, um die Nische zu untersuchen. Es war mehr als ein Fels – es war ein Kopf. Müde, kaum noch kenntliche graue Augen, deren Brauen rissig und mit Flechten bedeckt waren, spähten ihm entgegen. Die Steinnase war halb begraben unter dickem, feuchtem Mutterboden. Zeitlose Idole waren hier nicht selten, und doch faszinierte auch dieses hier ihn wieder. Er hatte oft davon geträumt, lange verlassene Städte zu erforschen. Vielleicht gab es im Dschungel Tempel, mit denen er beginnen konnte, diesen Durst zu stillen? Aber ein Vorstoß in

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