Die Oetkers - Geschaefte und Geheimnisse ber bekanntesten Wirtschaftsdynastie Deutschlands
verlegte der Fabrikdirektor Albert Oetker sich stärker auf die kaufmännische Leitung des Unternehmens, vor allem auf den Einkauf der Rohware. Er hatte überdies die Konkurrenz stets im Blick. So ließ er zum Beispiel die Produkte seiner Wettbewerber analysieren. Das Ergebnis eines solchen Warentests veröffentlichte er: »Die Firma L. C. Oetker ist im Besitz von Proben, welche als Marzipan trotz der Garantie für ein Drittel Zucker und zwei Drittel Mandeln, bis zu 42 Prozent Zucker aufweisen. Was statt Mandeln in solchen auf Schädigung des Publikums berechneten Fabrikaten sein mag, lässt sich schwer controllieren.«
Nachdem Albert Oetker eine Vielzahl von Erfahrungen und Erkenntnissen bei der Verarbeitung von Mandeln für Marzipan gewonnen hatte, erwog der Industrielle, ob er nicht auch ganze abgezogene Mandeln vertreiben könnte. Dazu musste er einen speziellen Trocknungsapparat konzipieren, denn beim Brühen nahmen die Mandeln viel Feuchtigkeit auf, und wenn sie nun auf herkömmliche Weise getrocknet wurden, wurden sie zu heiß und verloren ihr Aroma und ihre Haltbarkeit.
Noch vor der Jahrhundertwende wurde die Palette der Erzeugnisse um Nougat erweitert. Die Konditoren fertigten die Masse damals nach einem französischen Rezept. Es hatte aber den Nachteil, dass das Nougat schnell ranzig wurde. Der Firma L. C. Oetker gelang es schließlich nach zahlreichen Experimenten, eine Masse zu produzieren, die bei kühler trockener Lagerung gut haltbar war.
Als das Unternehmen im Jahr 1900 sein 30-jähriges Bestehen feierte, ließ Albert Oetker eine prächtige Festschrift für die Freunde und Kunden des Unternehmens drucken. Darin hieß es ohne jede Bescheidenheit: »Die Firma L. C. Oetker ist heute dank der Rührigkeit ihres Leiters in ihrer Branche nicht allein in Deutschland und Europa, sondern in der ganzen Welt die größte. Gleichzeitig ist sie auch die größte Importeurin von Mandeln und Nusskernen in der ganzen Welt, in denen sie neben dem größten Verbrauche zu ihrer Fabrikation auch den größten Handel betreibt.«
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2. »Zucht und Ordnung zum Gedeihen der Fabrik«
Albert Ferdinand Oetker und seine Seidenweberei
A lbert Ferdinand Oetker war fünf Jahre älter als sein Bruder Louis C., und die Verwandtschaft war den Brüdern schon im Gesicht anzusehen. Wie Louis trug auch Albert Ferdinand einen mächtigen Vollbart. Er war bereits 30 Jahre alt, als er 1869 ins Rheinland zog und als reisender Vertreter bei der Seidenweberei Deuß & Weiß anfing. Was Albert Ferdinand Oetker vorher gemacht hatte, ist nicht überliefert, bekannt ist aber, dass er, als er nach Krefeld kam, noch ledig war.
Die Firma, bei der Oetker angestellt wurde, gehörte zwei ungleichen Männern. Wilhelm Deuß stammte aus Krefeld, hatte aber im Bergischen Land bei einem Seidenfabrikanten den Kaufmannsberuf gelernt. 1855 hatte er in seiner Geburtsstadt ein Unternehmen gegründet. Carl Weiß war Lehrer an der Höheren Töchterschule gewesen, bevor er als Teilhaber in die Deuß’sche Seidenweberei eingestiegen war. Die beiden Inhaber hatten eine klare Arbeitsaufteilung. Während Deuß sich um den Betrieb mit seinen anfangs zwölf Webstühlen kümmerte, hatte Weiß als reisender Vertriebsmann vor allem in Berlin und Umgebung für den Absatz der Stoffe gesorgt. Es war ihm gelungen, das Geschäft mit einem großen Textilhaus in Berlin so auszuweiten, dass dieses schließlich die gesamte Ware des Krefelder Unternehmens abnahm. Weiß hatte deshalb auch seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt, wo er die Niederlassung der Firma Deuß & Weiß leitete, als der junge Oetker in Krefeld anfing.
Trotz aller Erfolge befriedigte die Arbeit Carl Weiß nicht. Im Grunde seines Herzens war er immer ein Pädagoge geblieben. Er engagierte |27| sich in einem Berliner Verein für Frauenbildung und hatte eine Reihe von Plänen zur Gründung von Erziehungsanstalten im Kopf. Als Carl Weiß seinem Partner Wilhelm Deuß mitteilte, dass er aus der gemeinsamen Firma aussteigen wollte, um wieder als Lehrer und Erzieher zu arbeiten, bot sich für den tüchtigen Albert Ferdinand Oetker die Chance, die frei gewordene Stelle zu besetzen und zum Fabrikanten aufzusteigen. 1870 ließ sich Weiß ausbezahlen, und Oetker wurde Mitinhaber des Unternehmens, das fortan den Namen Deuß & Oetker führte. Albert Ferdinand Oetker war damit das erste Mitglied der Familie, das den Aufstieg vom Handwerker oder Kaufmann zum Fabrikanten vollzog.
Zu diesem Zeitpunkt
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