Die Operation
Tablette nahm. Wenn das Problem so einfach in den Griff zu bekommen war, dann brauchte er sich vielleicht gar keine Sorgen zu machen. Das versuchte er sich zumindest einzureden.
Carol war pünktlich. Ashley hatte auch nichts anderes erwartet. Sechzehn seiner fast dreißig Jahre als Senator arbeitete sie nun für ihn und hatte unzählige Male ihre Verlässlichkeit, Einsatzbereitschaft und Loyalität unter Beweis gestellt. Sogar auf der Fahrt nach Virginia wollte sie die Zeit nutzen, um die Ereignisse des Tages und das, was morgen zu erwarten war, zu besprechen. Aber dann verfiel sie in die gleiche Nachdenklichkeit wie Ashley und redete nicht weiter. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den wahnsinnigen Verkehr.
Ashleys Angstpegel stieg sprunghaft höher, je näher sie der Arztpraxis kamen. Als er aus dem Wagen stieg, schwitzte er bereits wieder. Er hatte im Lauf der Jahre gelernt, auf seine Intuition zu hören, und jetzt schrillten sämtliche Alarmglocken. Irgendetwas war mit seinem Gehirn nicht in Ordnung. Er wusste es, und er wusste auch, dass er versuchte, es zu verleugnen.
Der Termin war Ashley zuliebe extra außerhalb der allgemeinen Sprechstunde gelegt worden. In dem leeren Wartezimmer herrschte Grabesstille. Die einzige Lichtquelle war eine Leselampe, die einen schummerigen Lichtkegel auf den leeren Empfangstresen warf. Ashley und Carol blieben einen Augenblick lang unschlüssig stehen. Dann öffnete sich eine Tür und hartes Neonlicht fiel herein. Im Türrahmen war Dr. Whitmans schemenhafte, von hinten angestrahlte Silhouette zu sehen.
»Bitte verzeihen Sie diesen unfreundlichen Empfang«, sagte Dr. Whitman. »Meine Mitarbeiter sind schon nach Hause gegangen.« Er knipste einen Wandschalter an. Er trug einen gestärkten weißen Arztkittel und legte ein geschäftsmäßiges Auftreten an den Tag.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte Ashley. »Wir sind für Ihre Diskretion dankbar.« Er suchte im Gesicht des Doktors nach der Andeutung eines sanften Ausdrucks, nach irgendetwas, was er als gutes Zeichen interpretieren konnte. Es war nichts dergleichen zu entdecken.
»Kommen Sie bitte in mein Büro, Herr Senator.« Dr. Whitman winkte ihn herein. »Miss Manning, wenn Sie bitte hier draußen warten wollen.«
Das Büro des Arztes war ein Paradebeispiel für zwanghaften Ordnungstrieb. Vor dem Schreibtisch standen zwei Besucherstühle. Die Dinge auf der Schreibtischplatte waren sorgfältig in einer Reihe ausgerichtet, die Bücher im Regal nach ihrer Größe sortiert.
Dr. Whitman deutete auf einen der Gästestühle und setzte sich dann an seinen Platz, die Unterarme auf den Tisch gelegt, die Hände übereinander. Sobald der Senator sich gesetzt hatte, schaute er diesen durchdringend an. Eine lastende Stille machte sich breit.
Ashley hatte sich noch nie so unwohl gefühlt. Seine Angst hatte ihren Höhepunkt erreicht. Den größten Teil seines Lebens hatte er damit zugebracht, nach immer mehr Macht zu jagen, und er hatte damit mehr Erfolg gehabt, als er in seinen kühnsten Träumen gehofft hatte. Doch in diesem Augenblick war er vollkommen machtlos.
»Am Telefon haben Sie gesagt, dass die Medikamente, die ich Ihnen verschrieben habe, Ihnen geholfen haben«, begann Dr. Whitman.
»Ganz hervorragend sogar«, rief Ashley aus. Eine plötzliche Welle der Freude hatte ihn erfasst, weil Dr. Whitman zunächst das Positive aufgegriffen hatte. »Die Symptome sind fast alle verschwunden.«
Dr. Whitman nickte wissend. Sein Gesichtsausdruck blieb undurchschaubar.
»Ich dachte eigentlich, das sei eine gute Nachricht.«
»Sie hilft uns, die richtige Diagnose zu stellen«, entgegnete Dr. Whitman.
»Und… wie sieht die aus?«, fragte Ashley nach einer unangenehmen Stille. »Wie lautet die Diagnose?«
»Die Medikamente, die ich Ihnen gegeben habe, waren Levodopa«, begann Dr. Whitman zu dozieren. »Der menschliche Körper kann diese Mittel in Dopamin umwandeln, eine Substanz, die bei der Nachrichtenübermittlung im Gehirn eine gewisse Rolle spielt.«
Ashley holte tief Luft. Er spürte plötzlich, wie die Wut sich Bahn brechen wollte. Er wollte nicht, dass man ihm Vorlesungen hielt wie einem Studenten. Er wollte eine Diagnose hören. Er fühlte sich wie eine Maus, die von der Katze in die Ecke gedrängt und nur zum Spaß noch ein bisschen geärgert wird.
»Sie haben einige Gehirnzellen verloren, die an der Herstellung des Dopamin beteiligt waren«, fuhr Dr. Whitman fort. »Diese Zellen befinden sich in einem
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