Die Operation
Was sagst du dazu?«
»Ich müsste verrückt sein, etwas dagegen zu haben«, sagte Daniel und hob zum Zeichen der Kapitulation die Hände.
Stephanie und Daniel lebten jetzt seit mehr als zwei Jahren zusammen und hatten eine angenehme Vertrautheit entwickelt. Sie waren schon Mitte der Achtzigerjahre aufeinander aufmerksam geworden. Damals war Daniel an die Universität zurückgekehrt, während Stephanie noch Chemiestudentin in Harvard war. Sie fühlten sich zwar zueinander hingezogen, hatten aber beide dem Drängen widerstanden, da solche Verbindungen von der Universitätsleitung überhaupt nicht gerne gesehen wurden. Außerdem hatten sie nicht die geringste Ahnung gehabt, dass ihre jeweiligen Gefühle auch erwidert wurden, zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt, als Stephanie ihre Doktorarbeit abgeschlossen hatte und in den Lehrkörper aufgerückt war. Dadurch konnten sie einander zumindest auf einer ähnlichen Ebene begegnen.
Auch in ihrer wissenschaftlichen Arbeit ergänzten sie sich. Als Daniel der Universität den Rücken zukehrte, um seine Firma zu gründen, da war es selbstverständlich, dass Stephanie mit ihm kam.
»Wirklich nicht schlecht«, sagte Stephanie, nachdem sie ihr Champagnerglas geleert und auf den Tisch zurückgestellt hatte. »So, und jetzt werfen wir eine Münze, wer zuerst duschen darf.«
»Nicht nötig«, sagte Daniel und stellte sein leeres Glas neben Stephanies. »Ich lasse dir den Vortritt. Ich kann mich ja solange rasieren.«
»Einverstanden«, erwiderte Stephanie.
Daniel wusste nicht, ob es am Champagner lag oder aber an Stephanies ansteckender Heiterkeit, jedenfalls fühlte er sich, während er sein Gesicht einschäumte und mit der Rasur begann, schon deutlich entspannter, wenn auch nicht sorgenfreier. Da er nur ein Glas getrunken hatte, lag es wahrscheinlich doch an Stephanie. Sie hatte es ja schon angedeutet, der morgige Tag konnte in einer Katastrophe enden - eine Perspektive, die ihn auf verstörende Weise an Heinrich Wortheims Prophezeiung an dem Tag erinnerte, als dieser gemerkt hatte, dass Daniel wieder in die Privatwirtschaft zurückgehen wollte. Aber Daniel wollte nicht zulassen, dass diese Gedanken ihren Aufenthalt hier überschatteten, zumindest nicht heute Abend. Er wollte versuchen, es Stephanie gleichzutun und sich zu amüsieren.
Er blickte in den Spiegel, vorbei an seinem Seifenschaum-Gesicht, und sah Stephanies verschwommene Gestalt hinter der nebelverhangenen Glaswand der Duschkabine. Ihr Gesang übertönte das Rauschen des Wassers. Sie war sechsunddreißig, sah aber eher aus wie sechsundzwanzig. Er hatte ihr mehr als einmal gesagt, dass sie bei der Verteilung der Gene sehr gut weggekommen war. Sie war groß und hatte eine weibliche Figur, trotzdem war ihr Körper schlank und fest, als würde sie regelmäßig ins Fitness-Studio gehen, was aber nicht der Fall war. Ihre makellose, olivbraune Haut und die dichte, glänzende Mähne mit den dazu passenden dunklen Augen komplettierten das Bild.
Die Duschkabine ging auf und Stephanie trat heraus. Vollkommen ungeniert trocknete sie sich die Haare ab. Einen Augenblick lang beugte sie sich nach vorne und rubbelte ihre Haare trocken. Dann richtete sie sich wieder auf und warf dabei die Haare zurück, wie ein Pferd, das seine Mähne neu ordnet. Als sie schließlich anfing, sich mit provozierendem Hüftwackeln den Rücken abzutrocknen, erfasste sie aus dem Augenwinkel Daniels starren Blick im Spiegel. Sie hielt inne.
»He!«, sagte sie. »Was gibt’s denn da zu glotzen? Ich denke, du wolltest dich rasieren?« Mit einem Mal wurde sie sich ihrer Nacktheit bewusst und wickelte sich ein Handtuch um den Körper. Es sah aus wie ein trägerloses Minikleid.
Daniel war zunächst etwas beschämt gewesen, weil sie ihn in einer solch voyeuristischen Pose ertappt hatte, aber er hatte sein inneres Gleichgewicht schnell wiedergefunden. Er legte das Rasierzeug zur Seite und ging zu Stephanie hinüber. Dann nahm er sie bei den Schultern und blicke ihr tief in die schimmernden Augen. »Ich war einfach überwältigt davon, wie sexy und verführerisch du aussiehst.«
Stephanie legte ihren Kopf etwas zur Seite und blickte ihn aus einer leicht veränderten Perspektive an. »Alles in Ordnung?«
Daniel lachte. »Alles bestens.«
»Bist du heimlich ins Wohnzimmer geschlichen und hast den Champagner geleert?«
»Ich meine es ernst.«
»So etwas hast du seit Monaten nicht mehr gesagt.«
»Na ja, ich war mit anderen Dingen beschäftigt, und das
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