Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
an.
»Was ist …«
»Hab ich gesagt, dass ich mit dir reden will? Hinaus mit dir! Bring mir Michelle und bleib draußen! Ich habe genug von dir gesehen. Los, los, los! Raus jetzt! Und wage es nicht, näher als bis auf hundert Schritt an dieses Haus heranzukommen.«
VON LÖWEN
Der Junge kam aus dem Haus gerannt, als seien die Elfen hinter ihm her. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, seine Stute loszubinden, sondern lief geradewegs in Michelles Richtung.
Die Ritterin gab ihrem Hengst die Sporen und preschte den Hügel hinab.
Leon musste schmunzeln. Der Kleine hatte ihm jedes Wort geglaubt. Er ließ das feuchte Glasauge spielerisch durch seine Finger gleiten und beobachtete, wie Luc und Michelle kurz miteinander sprachen. Die Ritterin parierte ihr Pferd und kam zum Haus hinabgeritten. Sie verstand es gut, eine Maske der Gelassenheit aufzusetzen. Aber er vermochte dennoch ihre Unruhe zu sehen. Sie stieg zu langsam ab. Sie sah zu bemüht nicht zu den Fenstern. Und jetzt klopfte sie sich auch noch den Staub aus den Kleidern. Die Mühe hätte sie sich erspart, wenn sie nicht nach einem Anlass gesucht hätte, ihre Begegnung noch ein wenig hinauszuzögern.
Leon lauschte auf die Schritte, begleitet vom leisen Klirren der Sporen. Einst war Michelle seine Schülerin gewesen. Sie war fast eine Heldin. Gäbe es nicht ihre Schwester, sie wäre ein strahlender Stern unter den Kriegern der Neuen Ritterschaft geworden. Doch stets war es Lilianne, deren Name in aller Munde war. Im Guten wie im Schlechten.
Die Schritte verharrten vor der Tür.
Leon ließ das Glasauge über seine Handfläche rollen. Den Jungen das Auge in den Mund nehmen zu lassen, war eine gute Idee gewesen. Er sollte daran noch ein wenig feilen. Das hatte er heute zum ersten Mal gemacht. Üblicherweise
genügte es, wenn Novizen das Auge mit dem Blutbaum nur sahen.
»Komm herein, Schwester.«
Michelles Gesicht war spitz geworden. Man sah ihr an, dass sie schwere Jahre gehabt hatte. Er war dagegen gewesen, sie zum Dienst an den Pestkranken zu zwingen. Es dauerte sieben Jahre, aus einem Novizen einen Ritter zu formen. Und Michelle hatte zu den Besten ihres Jahrgangs gehört. Ihr Leben zu riskieren, indem man sie zwang, todkranke Bauern und Tagelöhner zu pflegen, war Verschwendung. Ihr Orden war viel zu klein, um auch nur das Leben eines einzigen Ritters leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
»Du hast mich zu dir befohlen, Bruder Primarch«, sagte sie steif.
Er wedelte abwehrend mit der Hand.
»Lass das mit den Titeln. Wir stehen hier nicht vor einem Ehrengericht oder den Heptarchen. Wir sind Bruder und Schwester, nicht mehr und nicht weniger. Ich danke dir für den Bericht, den du mir über Luc hast zukommen lassen.«
Er konnte sehen, wie ihr die eine Frage auf den Lippen brannte, und er entschied, sie noch ein wenig zappeln zu lassen.
»Der Junge hat Mut. Bei dem, was ich ihm angetan habe, hätte ich mir mit zwölf Jahren wahrscheinlich vor Angst die Hose genässt.« Leon lachte. »Frag ihn lieber nicht. Ich glaube nicht, dass er gern davon erzählen wird. Er hat mich überrascht. Er selbst war es, der mich darauf hingewiesen hat, dass er vielleicht ein Wechselbalg ist. Entweder ist er sehr klug, ahnte, dass ich es ohnehin schon weiß, und hat dann lieber die Flucht nach vorn angetreten – oder aber er ist sehr aufrichtig. Was glaubst du, trifft zu, Michelle?«
»Ich halte ihn für aufrichtig. Es steckt nichts Falsches in
ihm. In dem …« Sie zögerte. »Er ist etwas Besonderes. Und ich bete zu Tjured, dass es seine Hand war, die ihn berührte und ihm seine Gaben verlieh.«
»Er ist ein begabter Heiler?«
Es steckte mehr hinter der Frage, als Michelle wissen sollte. Sicherlich kannte sie die Geschichten über die Gesegneten, jene wenigen Menschen, die mit der Gabe geboren wurden, Wunden und Krankheiten zu heilen, die eigentlich zum Tode führen sollten. Doch das war nur eine ihrer Gaben. Die unbedeutendste! Sie waren der Schlüssel zum Sieg über die Anderen. Und sie waren selten. Alle zwei oder drei Jahre gelang es der Bruderschaft vom heiligen Blut, einen von ihnen aufzuspüren und hierherzubringen. Man musste sie schon als Kinder formen, damit sie ihre Macht voll entfalten konnten. Im Grunde gab es Valloncour nur ihretwegen. Selbst der Großmeister und der Ordensmarschall würden das abstreiten. Nicht einmal sie wussten um das tiefere Geheimnis, das die Schule umgab. Dabei war es für die Sehenden so offensichtlich. Jeder Ritter trug die Wahrheit
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