Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
winzige Kobold und Herzog Dragan vom Mordstein, groß wie ein Fels … Wie Felsgestein war auch Dragans Haut, grau
wie Granit, mit feinen, helleren Einsprengseln. Sein Gesicht sah aus, als sei es von einem ungeschickten Kind aus feuchtem Lehm geformt worden. Die Nase war knollig und viel zu groß. Wie Simse hingen die Brauen über seinen dunklen Augen. Der Mund war ein riesiger Schlitz, ein Abgrund, von dem man gar nicht wissen wollte, was er wohl schon alles verschlungen haben mochte. Dragan stank nach ranzigem Fett und Schweiß.
Er schloss sich ihnen an und ging neben ihr her wie eine Schildwache. Wenn er in ihrer Nähe war, versuchte Gishild stets, nur durch den Mund zu atmen. Und sie hoffte, dass Dragan es nicht merkte, denn auch wenn sie Verbündete waren, wollte niemand, der seine Sinne beisammenhatte, einen Troll verärgern. Allein der Anblick der Waffe in seinem Gürtel ließ ahnen, was es bedeutete, Dragan zu reizen. Dort steckte ein Kriegshammer mit einem Kopf, der länger war als Gishilds Unterarm. Mit dieser Waffe konnte man Festungstore zerschmettern. Keine Rüstung der Welt würde vor diesem Kriegshammer schützen.
Seit dem Unglück achteten die Albenkinder sehr auf sie. Gishild war fast nie allein, außer in den Gemächern ihrer Mutter. Aber dort waren ja Roxanne und ihre Dienerinnen … Mal abgesehen von Brandax waren ihr die Anderen nur noch selten unheimlich. Sie verbrachte einfach zu viel Zeit mit Trollen, Elfen, Kentauren und Kobolden.
»Du weißt, dass der König es nicht mag, wenn Gishild am Wasser ist«, sagte der Troll, und seine Stimme klang wie eine Steinlawine.
»Mich schert nicht, was Gunnar mag. Gishild ist gern am Wasser. Das ist alles, was für mich zählt.«
»Tja, Dragan, so sind sie, unsere hochgeschätzten Elfenfreunde«, mischte sich Brandax ein. »Sie haben immer einen
guten Grund, warum ihnen alle anderen egal sind. Kein Gletscher ist so kalt wie ein Elfenherz.«
»So könnt ihr nicht von ihr reden!«, ereiferte sich Gishild. »Es war mein Wunsch, dort zu sein.«
Brandax wandte sich zu ihr um. »Tatsächlich?« Er grinste, sodass sie seine schrecklichen, spitz gefeilten Zähne sehen konnte. Gishild hätte jeden Eid geschworen, dass der kleine Mistkerl genau wusste, wie sehr sie dieses Lächeln ängstigte.
»Meine Erfahrung mit Elfen ist, dass sie sehr gut darin sind, uns vorzugaukeln, dass ihre Wünsche unsere eigenen sind. Ist es nicht so, meine hübsche Flötenspielerin?« Die letzten Worte betonte der Kobold auf eine eigentümliche Art, und diesmal schien er es tatsächlich geschafft zu haben, Yulivee zu verärgern.
»Lass dich von ihm nicht reizen, Gishild. Mit den Jahren bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass Kobolde sich größer fühlen, wenn sie sich schlecht benehmen. Was meinst du, Brandax? Habe ich recht?«
»Wie fühlen sich eigentlich Elfen, wenn sie Kinder stehlen? «, konterte der Belagerungsmeister.
Yulivee lachte. »Weiß ich nicht, ich habe noch keines entführt. Du treibst dich zu viel mit Menschen herum. Glaubst du jetzt schon die Märchen, die man über uns erzählt?«
»Was heißt hier Märchen! Ich war dabei, in der Nacht, als Morwenna kam, um …«
Der Trollfürst räusperte sich. Es war ein Laut, der etwa so klang wie ein Pistolenschuss.
Gishild presste die Lippen zusammen. Sie rang mit den Tränen. So ging es ihr immer noch, wenn über Snorri gesprochen wurde. Sie fühlte sich schuldig. Ihr Vater hatte sich geweigert, ihren kleinen Bruder in die Obhut der Elfen zu
geben. Seitdem war nichts mehr wie früher. Gishild wusste, dass die meisten bei Hof dachten, dass mit diesem Tag das Unheil unabwendbar geworden war. Gishild hatte sich mit Yulivee und Silwyna angefreundet … Aber sie kannte all die Geschichten über die Elfen. Sie mochten ihre Verbündeten sein, doch man machte keine Geschäfte mit ihnen. Jedenfalls nicht solche, wie ihr Vater sie in der Nacht von Snorris Geburt gemacht hatte.
Gishild fühlte sich ganz elend, wenn sie daran dachte, wie oft sie sich insgeheim gewünscht hatte, dass die Elfen endlich kämen, um Snorri zu holen. Sie war enttäuscht gewesen, als ihr Vater den Pakt mit Morwenna gebrochen hatte. Vielleicht hatten ihre geheimen Wünsche ja das Unheil heraufbeschworen?
Hundekläffen schreckte sie aus ihren Gedanken. Sigurd kam ihnen entgegen. Mit zornfunkelnden Augen sah er sie an. »Wo hast du gesteckt?«
Trotz seiner Wut lief sie ihm mit weit ausgebreiteten Armen entgegen. Sie war so froh, dass er da war! Sie
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