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Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman

Titel: Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Mutter hatte sterben müssen, weil er Diebesgut als Geschenk gebracht hatte. Er hatte niemandem davon erzählt, weil er sich so sehr schämte. Sein Messer hätte er dort lassen sollen, seinen kostbarsten Schatz! Oder vielleicht hätte er gar nicht zur weißen Frau gehen dürfen. Vielleicht hatte er Tjured damit so sehr erzürnt, dass der eine Gott das Lebenslicht seiner Mutter hatte verlöschen lassen.
    Das Schuldgefühl machte ihm die Brust eng. Er sah hinab zum Wolf, der immer noch auf dem Dach der Remise kauerte. Ein Wolf, der auf Dächern jagte! Davon hatte er noch nie gehört.
    Luc blickte ein letztes Mal über die karge Hochebene. Dicht beim Heidenkopf zog eine Staubfahne über das Land. Wind und Erde feierten dort Hochzeit. Das taten sie oft an heißen Spätsommertagen wie diesem.
    Der Junge schloss den schweren Holzladen des Giebelfensters. »Hier kommst du nicht herein«, murmelte er trotzig. »Selbst dann nicht, wenn du dir über Nacht Flügel wachsen lässt.«
    Die Honigkammer war in warmes Zwielicht getaucht. Die Hitze des Tages hatte sich unter dem Ziegeldach gestaut. Irgendwo
summte eine geschäftige Fliege. Goldene Staubkörnchen tanzten in den drei schmalen Lichtbahnen, die durch die Schlitze des Fensterladens fielen.
    Es duftete nach Honig, der in schweren, mit Wachstuch verschlossenen Krügen in den Regalen der Dachkammer stand. Der Geruch trocknenden Thymians schmeichelte seiner Nase. Auch Bündel von Rosmarin und Minze hingen von den alten Deckenbalken. Säcke mit Bohnen und Erbsen kauerten in den Ecken. Eine verrostete Mausefalle hielt einsame Wacht. Unter dem Tisch, den Luc unter das Giebelfenster geschoben hatte, lagen zerknüllte Decken und kostbare Seidenkissen, die Beute seiner Streifzüge durch das Herrenhaus. Ebenso wie der schwere Schinken und das große Käsestück, das nach der Hitze des Tages mit feinen Wassertröpfchen bedeckt war.
    Brot gab es im ganzen Dorf nicht mehr. Es war längst dem Schimmel oder den Mäusen zum Opfer gefallen. Luc nahm sich den Krug mit dem hellen Akazienhonig. Ganz langsam tauchte er den ausgestreckten Zeigefinger in die klebrige Köstlichkeit. Bedächtig rührte er durch den Honig, hob die Hand und fing mit der Zunge den langen Faden, der von seinem Finger troff.
    Seit ihn Jean, der Haushofmeister des Grafen, einmal hier hinaufgeschickt hatte, um eine Schüssel mit Bohnen zu füllen, war die Honigkammer gleich nach dem Jagdzimmer mit all seinen Waffen zum Mittelpunkt von Lucs Tagträumen geworden. Im Jagdzimmer war er oft, wenn er mit seinem Vater die Waffen des Grafen pflegte. Die Honigkammer aber blieb stets wohlverschlossen. Eine Schatzhöhle, angefüllt mit flüssigem Gold.
    Seinen Eltern hatte er mit seinen Raubzügen großen Kummer bereitet. Sie hatten nicht fassen können, einen Dieb zum Sohn zu haben. Immer wieder war er dem Lockruf der Honigkammer
erlegen. Als man ihm verboten hatte, das Herrenhaus zu betreten, war er nachts über die Dächer geschlichen, um hierherzugelangen. Er konnte es sich nicht erklären, warum er es nicht lassen konnte. Trotz aller Verbote war er binnen eines Jahres viermal hier oben eingebrochen. Er schämte sich dafür. Ganze Tage hatte er auf dem harten Steinboden des Tempelturms unter den sonnendurchstrahlten Bildern der Heiligen gelegen und um Erlösung von dem Übel gebetet.
    Doch weder die Heiligen noch die Prügel seines Vaters hatten geholfen.
    Nun hatte Tjured ihm seine Honigträume erfüllt. Niemand hinderte ihn mehr daran, hierherzukommen. Selbst der Stinker, der einst der Haushofmeister Jean gewesen war, hatte ihn für seine schamlosen Diebstähle nicht zur Rechenschaft gezogen.
    Als Luc ganz allein gewesen war, hatte er sich unter dem Tisch in der Honigkammer sein Lager eingerichtet. Manchmal blieb er ganze Tage dort oben. Wenn er seine Notdurft verrichten musste, benutzte er die leeren Steinguttöpfe oder pinkelte einfach aus dem Giebelfenster. Es waren alle Grenzen gefallen, die ihn gefangen gehalten hatten. Er hätte niemals gedacht, dass er so unglücklich sein würde, wenn Tjured ihm all seine Wünsche erfüllte. Und warum hatte Gott das getan? Er war doch der Sünder! Nicht die anderen, die qualvoll an der Sieche verreckt waren. Hatte Tjured sie vielleicht zu sich gerufen, damit sie nicht mit einem jämmerlichen Dieb zusammenleben mussten?
    Luc zog einen weiteren Honigfaden aus dem Topf. Hatten die Anderen ihn vielleicht mit einem Zauber belegt? War er zu oft beim Heidenkopf gewesen? Hatte er von dort die

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