Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Oberfläche des Wassers nur noch einige weite Ringe zu sehen gewesen. Der stille See hoch in den Bergen, der einst Ulric den Winterkönig verschlungen hatte, hatte ihrer Familie ein weiteres Mal Unglück gebracht.
Eine Woche hatte es gedauert, bis man die Leiche ihres kleinen Bruders im See gefunden hatte. Nackt und weiß wie einen Höhlenfisch hatte man ihn aus dem dunklen Wasser gezogen.
An dem Tag, an dem Snorri im Hügelgrab ihrer Familie beigesetzt worden war, war die Elfe Silwyna nach Firnstayn gekommen. Gishild erinnerte sich noch genau daran, wie sie unter den Trauergästen bei der uralten Eiche auf dem Hügel
erschienen war. Als sie den Namen der Elfe erfahren hatte, da hatte sie das Gefühl gehabt, eine der Grabkammern habe sich geöffnet, um einen Schatten aus der Vergangenheit freizulassen. Ohne ihr je begegnet zu sein, hatte sie Silwyna aus den endlosen Stunden in der Bibliothek gut gekannt.
Vom Tag ihrer Ankunft an hatte sich das Leben der Prinzessin grundlegend verändert. Königin Emerelle hatte Silwyna gesandt, um Gishilds Lehrerin zu sein. Warum sich die Königin Albenmarks so sehr um die Erziehung der Prinzessin des Fjordlands sorgte, blieb ihr Geheimnis. König Gunnar hatte dankbar zugestimmt. Einige der berühmtesten Ahnen ihres Geschlechts waren eng mit den Elfen verbunden gewesen. Silwyna als Lehrerin zu gewinnen, war ein Versprechen auf künftigen Ruhm. Was sie davon hielt, hatte sie niemand gefragt, dachte Gishild verärgert. Sie war ja nur eine Prinzessin. Da hatte man zu gehorchen.
Die Tage in der Bibliothek waren mit Silwynas Ankunft vorüber gewesen. Die Elfe hatte Gishild mit dem Bogen üben lassen, bis ihre Finger von der harten Sehne blutig gewesen waren. Und unter ihrer Aufsicht hatte man ein kurzes Stoßrapier geschmiedet, das in Gewicht und Länge auf Gishilds Körpermaße abgestimmt war. Bei Hof stritt man heute noch, ob diese neuen Waffen den alterprobten Schwertern ebenbürtig seien, doch Silwyna scherte sich nicht um dieses Gerede. Sie tat allein, was sie für richtig hielt, ließ sich von niemandem hineinreden und ging keinem Streit aus dem Weg. Bei Hof starrten ihr viele Männer nach, doch Freunde hatte sie keine.
Ein Fanfarenstoß riss die Prinzessin aus ihren Gedanken. Die Panzerreiter rammten ihre Lanzen in den Boden. Sie alle bewegten sich wie ein Mann, als seien hundert Leiber von nur einem Geist beseelt. Keines der Banner stürzte in den
schwarzen Schlamm, obwohl einige der Lanzen bedenklich im Wind schwankten.
Scharrend glitten hundert Schwerter aus ihren Scheiden. Einen Augenblick lang schien die Zeit stillzustehen.
Gishild tastete nach ihrer Hüfte. Natürlich hatte sie ihr Rapier nicht umgegürtet … Heute war sie die Prinzessin des Fjordlands, ordentlich gekämmt und mit einem unbequemen Kleid angetan. Eine Prinzessin trug keine Waffe … Auch dann nicht, wenn ihr nach den endlosen Fechtstunden mit Silwyna das Gewicht des Rapiers an ihrer Seite so vertraut war, dass sie das Gefühl hatte, aus dem Gleichgewicht zu sein, wenn sie die Waffe nicht umgeschnallt hatte.
Gishild sah, wie auch die Krieger im Gefolge ihres Vaters die Schwerter zogen. Gunnar hob die Arme und gebot ihnen, die Waffen sinken zu lassen.
Ein zweiter Fanfarenstoß brachte Bewegung in die Mauer aus Stahl. Pferde wieherten. Schlamm schmatzte unter den großen Hufen. Die ganze Reihe bewegte sich ein Stück vorwärts.
Ängstlich blickte sich Gishild nach Silwyna um. Die Prinzessin entdeckte sie unter dem Vordach eines Pferdestalls, halb im Schatten verborgen. Ihr Bogen lehnte neben ihr an der Wand. Wie stets leistete ihr niemand Gesellschaft. Sie hatte das lange dunkle Haar zurückgekämmt und zu einem strammen Zopf gebunden. Die Elfe war hochgewachsen und gertenschlank, ohne hager zu wirken. Auch sie lehnte an der Wand. Die Arme vor der Brust verschränkt, wirkte sie ganz unbeteiligt, als gehe sie alles, was rings herum geschah, nichts an.
Silwyna hatte ihr Gesicht mit dem rotbraunen Saft des Dinko-Busches bemalt. Fast alle, die sich im Dorf versammelt hatten, waren festlich gewandet, oder zumindest gewaschen
und rasiert. Nicht so Silwyna. Sie trug ihre hohen, weichen Hirschlederstiefel und ein unauffälliges braunes Wams. Ihre Lehrerin war bereit, mit den Schatten zu verschmelzen. So kleidete sie sich, wenn sie einem Wild nachstellte, und Gishild hatte niemals erlebt, dass der Elfe eine Beute entkommen wäre.
Oft waren sie gemeinsam auf die Jagd gegangen. Die Prinzessin hatte die
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