Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Mutter fester um ihre Schulter schloss. Am liebsten wäre die Prinzessin näher an den Tisch herangetreten. Das Stundenglas war aus Gold und Kristall gefertigt. Ein verschnörkelter Schriftzug schmückte die obere Kante: Das Land der Fjorde. Silwyna hatte Gishild Schrift und Sprache der Ordensritter gelehrt. Die Elfe legte großen Wert darauf, dass sie ihre Feinde kannte.
Alexjei schnaubte wie ein gereizter Stier. Er trat vor den Tisch mit den Walbein-Intarsien. Erst jetzt bemerkte Gishild den Schriftzug an der Unterseite des Stundenglases. Die Buchstaben standen auf dem Kopf. Drusna war dort geschrieben.
»Glaubst du, die Zeit für mein Volk sei abgelaufen, Mannweib? « Er packte das Stundenglas, drehte es um und knallte
es auf den Tisch. »Ein entschlossener Mann versteht es, sein Schicksal umzukehren.«
Gishild nickte. Das war eine gute Antwort!
Doch ihre Freude währte nur einen Augenblick. Der Sand rann nicht durch die Engstelle im Glas. Ein Raunen ging durch die Reihen der Bojaren und Jarle.
»Das ist ein Zeichen Luths«, hörte sie jemanden flüstern.
»Nun, wie es scheint, sind manche Dinge unumkehrbar«, sagte Lilianne kühl.
Yulivee trat neben Alexjei. Spott lag in ihrem Blick. »Ich sehe hier kein Omen, sondern lediglich ein Beispiel schlechter Handwerksarbeit. Dabei lobt man die Werkstätten eurer Klöster doch gemeinhin in den höchsten Tönen.« Sie sah Lilianne schmunzelnd an. »Oder sollte etwa Absicht dahinterstecken? Haben wir es mit mehr zu tun als mit einem winzigen Steinchen, das der Aufmerksamkeit deiner Ordensbrüder entgangen ist?«
Die Ritterin hielt dem Blick der Elfe stand, antwortete jedoch nicht.
Yulivee strich mit der Hand über das Kristallglas, flüsterte ein Wort der Macht, und der Sand begann durch die Enge zu rieseln. »Mir scheint, ein Kristallsplitter ist an die falsche Stelle geraten, sodass der Sand nur in eine Richtung fließt«, sagte sie mit einem spitzbübischen Lächeln. »Daran sollte nicht das Schicksal eines Königreiches hängen, nicht wahr?«
»Und mir scheint es so, als würde nun die Zeit für das Fjordland ablaufen«, entgegnete der Erzverweser Charles. »Was dem einen nutzt, ist oft des anderen Schaden.«
»Seid ihr gekommen, um mit uns über den Frieden für den kommenden Winter zu reden?«, fragte der König. »Oder hattet ihr lediglich vor, einen Schabernack mit uns zu treiben, weil ihr glaubt, es mit dummen Heiden zu tun zu haben?«
Ihr Vater sprach in einem Tonfall, den Gishild gut kannte. So redete er mit ihr, kurz bevor es ein Donnerwetter setzte.
»Wir bieten euch einen Frieden von fünfzig Jahren, wenn ihr es aufgebt, für die verlorene Sache Drusnas zu kämpfen. «
Alexjei wurde bleich. Jeder wusste, wie hoch der Blutzoll war, den das Fjordland in den endlosen Kämpfen entrichtete. Der Krieg um Drusna zehrte das Königreich aus. Er verschlang die Schätze vergangener Jahrhunderte und die besten unter den Kriegern. Gäbe es nicht die Hilfe aus Albenmark, so hätte das Königreich schon lange um Frieden bitten und Drusna im Stich lassen müssen.
»Sagt euer heiliger Clemens nicht, dass ein Wort, das man einem Heiden gibt, niemals verbindlich ist, selbst wenn ein Schwur in Tjureds Namen geleistet wurde?«
»Und der heilige Sulpicius schreibt, dass, wer wissentlich falsches Zeugnis im Namen des Herrn ablegt, und sei es selbst gegen einen Heiden, dem Werk Gottes größeren Schaden zufügt, als es tausend mal tausend Ungläubige in tausend mal tausend Jahren zu tun vermögen«, entgegnete der Erzverweser in ernsthaftem Ton. »Gebt es auf, für eine verlorene Sache zu kämpfen. Von den siebzehn Fürstentümern Drusnas haben wir zwölf besetzt. Auch die letzten fünf werden fallen. Ihr könnt das nicht verhindern. Ihr müsst nur in die Chroniken blicken, um zu wissen, dass jeder Krieg, der im Namen Tjureds geführt wurde, letztlich von seinen Dienern gewonnen wurde. Ich bin ermächtigt, euch allen einen ehrenhaften Frieden zu bieten. Jeder Fürst Drusnas, der dem Heidentum abschwört, wird all seine Güter behalten. Und wer dies nicht tut, dem sichern wir ein ehrenvolles Geleit ins Fjordland zu. Ich biete euch das Leben statt Qualen und Tod.«
Trotz aller Geschichten, die man sich über die Tjuredpriester
erzählte, glaubte Gishild dem alten Mann. Er wirkte durch und durch aufrichtig auf sie. Aber ihr Vater konnte nicht auf das Angebot eingehen. Zu viele Jahre kämpften sie nun schon mit den Recken Drusnas Seite an Seite. Sie konnten sie nicht
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