Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
Bauernbursche
im Heerbann ihres Vaters verstand. Sie glaubten den Skalden! Und sie glaubten an ihren König. Und deshalb trugen sie die Lieder über ihn auch nach bitteren Niederlagen noch auf ihren Lippen. Er war das Fleisch gewordene Fjordland, er war das Herz allen Widerstands. Er war die Geißel der Priester und die Hoffnung aller, die ihr Haupt nicht beugen mochten.
Gishild blickte zu den Kriegern, die um ihren Vater geschart standen. Da waren die Jarle des Fjordlands, erfahrene Kämpen, Männer aus Sippen, die ihrer Familie schon seit Jahrhunderten verbunden waren. Sie trugen stählerne Sturmhauben und Kettenhemden, die mit Metallschienen verstärkt waren. Äxte und breite Schwerter waren ihre Waffen. Manche hatten in bunten Bauchbinden ihre Radschlosspistolen stecken oder Dolche mit dreikantiger Klinge, die man auch durch die besten Brustplatten rammen konnte. Sie waren ein wilder Haufen, ebenso wie die Bojaren Drusnas. Mit ihren weiten, bauschigen Hosen und den hohen Schaftstiefeln sahen ihre Verbündeten in Gishilds Augen seltsam aus. Sie trugen geschlitzte Lederwesten, die mit Hunderten Nieten besetzt waren. Langstielige Äxte waren ihre bevorzugten Waffen, und Schwerter, deren Griffe von wuchtigen Bronzekörben umschlossen waren. Statt sich mit Helmen zu schützen, bevorzugten die meisten Drusnier federgeschmückte Barette.
Doch nicht diese Krieger entschieden, was in diesem Augenblick geschah. Ihr Mut und ihre Wildheit würden die Ritter nicht lange aufhalten. Das hatte sie am Bärensee gesehen. Gishild war sich sicher, dass einzig der kalte Blick ihres Vaters die stählerne Wand der Feinde verharren ließ. Alle warteten auf ihn. Darauf, was er tun würde.
Es war ein stummes Duell, das hier ausgetragen wurde. Würde er den Reitern entgegengehen? Würde er vor sie treten
und wie ein Kind, den Kopf im Nacken, zu ihnen aufblicken? Nein, nicht ihr Vater! Eher würde die Sonne vom Himmel fallen, als dass er seinen Stolz aufgäbe. Aber was würden die Ordensritter tun? Würden sie nachgeben? Warum trugen sie dieses Duell aus? Es war vereinbart worden, sich auf dem Dorfplatz zu Verhandlungen zu treffen. Es war an ihnen, den Rand der Lichtung zu verlassen.
Würden sie angreifen, wenn ihr Vater sich nicht unterwarf? Den Rittern des Tjured war jeder Verrat zuzutrauen!
Die Prinzessin spürte wieder die stachelige Angst in ihrem Bauch. Sie hatte gesehen, was die Lanzen und die riesigen Hufe der Schlachtrösser anzurichten vermochten, als das Heerlager am Bärensee von den Rittern der Kirche überrannt worden war. Was hatten die Ritter vor?
Weit im Westen erklang Donnergrollen über dem Wald. Eine Böe bauschte die Banner mit den kahlen roten Bäumen. Luth, der Schicksalsgott, hielt den Atem an. Nur er wusste, ob sie in einer Stunde noch leben würden.
Der Blick der Prinzessin war gebannt von den Rittern am Waldrand. Sie sahen viel bedrohlicher aus als die verzweifelte Schar, die sich ihnen entgegenstellte. In ihren schimmernden Rüstungen wirkten sie unverwundbar. Gishild hatte gesehen, wie man Männer tötete, die sich ganz in Stahl wappneten. Am Bärensee war sie Zeugin geworden, wie man sie in den Ufersand stieß und Bauernburschen ihre Dolche durch die Schlitze der Helme rammten. Man konnte die Ritter töten, ermahnte sich die Prinzessin in Gedanken. Auch wenn sie unüberwindlich aussahen. Aber sie hatte mit angesehen, wie viele Bauern und Krieger ihr Leben ließen, um einen dieser Ritter zu Boden zu ringen. Fünfmal mehr hätten sie sein müssen, um vielleicht auf einen Sieg gegen die Ritter hoffen zu dürfen.
Wann hatte dieses elende Warten ein Ende? Wer würde als Erster einen Schritt in Richtung der anderen machen? Würde ihr Vater den Stolz der Vernunft opfern? »Bitte Luth, lass es dazu nicht kommen«, murmelte sie leise. Wenn die Ritter jetzt siegten, dann würde das schwerer wiegen als die Schlacht am Bärensee.
Besorgt sah Gishild zurück zu den Reihen der Bojaren Drusnas und der Jarle des Fjordlands. Jetzt schon tuschelten sie miteinander, und auch wenn die Prinzessin die geflüsterten Worte nicht verstand, hörte sie den mühsam unterdrückten Zorn in den Stimmen der Männer. Und da war noch etwas. Der auffrischende Wind trieb den schwefeligen Geruch brennender Lunten aus dem Wald. Hinter den Reitern zwischen den Bäumen verbargen sich Arkebusiere. Die schweren Bleikugeln dieser Waffen vermochten selbst einen Troll zu fällen. Doch die Schützen mussten immer eine brennende Lunte
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