Die Ordensburg: Elfenritter 1 - Roman
gezeichnet. Es war lang und schmal, ein Eindruck, der durch den Bart und die hohe Stirn des Alten noch verstärkt wurde. Er schien sein ganzes Leben auf Feldzügen verbracht zu haben. Der Kampf um Drusna hatte bereits kurz nach der Geburt ihres Vaters begonnen, so hatte Gishild es in ihren vielen Geschichtsstunden gelernt. Mehr als dreißig Jahre währte er nun! Seit dieser Zeit war das Land der tausend Wälder Stück um Stück an die Ordensritter verloren gegangen.
Die Ritterin betrachtete mit unverhohlenem Abscheu das Gefolge, das sich um den König des Fjordlands scharte. Gishild war wütend auf diese Frau. Sie versuchte, das Gefühl zu beherrschen, denn Silwyna hatte sie Hunderte Male belehrt, dass Wut blind machte und damit zur Waffe ihrer Feinde wurde. Ihre Feinde wollten, dass sie wütend waren. Das schien Teil ihrer Pläne zu sein.
Als Gishild in die Gesichter der Männer rings um ihren Vater blickte, erkannte sie, dass die Ordensritter dabei waren, eine weitere Schlacht zu gewinnen. An der Schläfe Alexjeis, des Anführers der Schattenmänner und des geachtetsten Bojaren Drusnas, pochte eine dicke Zornesader. Seine Hände waren über den lederumwickelten Griff der Zweihandaxt gefaltet, auf die er sich so provozierend lässig aufstützte, dass jeder, der durch Silwynas Schule gegangen war, die Anspannung des Kriegers bemerken musste.
Ähnlich wie Alexjei standen sie alle dort, die Jarle, die ihrem Vater dienten, und die letzten freien Bojaren Drusnas, die den Kampf gegen die Ordensritter noch nicht aufgegeben hatten. Und allen sah Gishild die kaum beherrschten Gefühle an.
Besonders deutlich war das auch bei den Leibwächtern, den Mandriden. Sie standen zwar still, aber ihre Köpfe bewegten sich ruckartig, wie die von Vögeln. Sie versuchten alles im Auge zu behalten. Nur ihr Hauptmann, Sigurd Swertbrecker, wirkte etwas ruhiger. Der große, dunkelhaarige Krieger hatte Frau und Tochter in den Kämpfen um Drusna verloren. Für ihn hatte der Tod keinen Schrecken mehr.
DAS GESCHENK DER ORDENSRITTER
Der Priester und die Ritterin, sie waren die Gesichter, die hinter dem nicht enden wollenden Krieg um die Wälder, Seen und Moore des freien Drusna standen. Den Südwesten des Landes hatten sie in langem Ringen erobert, aber die an das Fjordland grenzenden Fürstentümer leisteten immer noch erbitterten Widerstand. Pater Charles, der Erzverweser Drusnas, war der Kirchenfürst, der die Geschicke des besetzten Landesteils lenkte. Die Komturin Lilianne de Droy war sein Schwert; sie befehligte das Heer der Tjuredkirche in Drusna. Sie galt als verschlagen und ausdauernd, und selbst ihre Feinde billigten ihr zu, dass sie tapfer war, zumal sie ihre Truppen von der Spitze her führte und nicht von einem sicheren Feldherrenhügel aus.
Fürstentum um Fürstentum hatte die Komturin in den letzten Jahren das freie Drusna an sich gerissen. Sie hatte die Wende in diesem schier endlos währenden Krieg gebracht, und überall in den Wäldern, an den Seen und Flüssen erhoben sich nun die roten Ziegelburgen der Neuen Ritterschaft. Wie Pilze schossen sie aus dem Boden, und so wie Pilzkreise mit jedem Jahr, das verstrich, ein wenig größer wurden, so wuchs auch das Land, das im Bann der roten Ordensburgen lag.
Stolz sah Gishild, wie ihr Vater anders als Alexjei und die anderen Edlen trotz aller Provokationen ruhig blieb, als der Erzverweser und die Komturin vor ihn traten, um über eine Waffenruhe für den kommenden Herbst und Winter zu verhandeln.
»Wir haben ein Geschenk für die Bojaren«, begann die
Komturin, ohne auch nur durch ein leichtes Kopfnicken eine Begrüßung anzudeuten.
Gishild verhielt sich auch manchmal so, wenn sie mit schlechter Laune erwachte. Manchmal war man eben nicht in der Stimmung, es allen recht zu machen. Die Prinzessin wusste allerdings nur zu gut, wie überaus ungehörig ein solches Verhalten war. Und es brachte einem Ärger ein. Der Ritterin schien der Ärger egal zu sein. Darin ähnelte sie Silwyna.
»Darf ich unsere Gabe für die Edlen Drusnas bringen lassen? «, fragte Lilianne.
Der König blickte kurz zu Alexjei, dann nickte er.
Die Komturin winkte den Rittern am Rand der Lichtung zu, und die stählerne Mauer teilte sich erneut. Vier kräftige Männer trugen einen Tisch heran, auf dem ein Stundenglas stand, gefüllt mit dunkelrotem Sand.
Die Männer stellten schweigend den Tisch ab und zogen sich wieder zurück.
Gishild reckte sich neugierig vor. Sie spürte, wie sich die Hand ihrer
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