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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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fürs Dramatische hatten, und weil es sich anbot und ein in diesen Situationen bewährtes Handlungsmuster war, legte sie ihre Hände an Carlos Kopf und streichelte sein Haar. Festes und sehr dickes Haar, ein bisschen Gel war darin und blieb als klebriger Film an ihren Fingern. Da er noch immer auf den Knien hockte, ließ auch sie sich hinabsinken. Sie nahm sein Gesicht in die Hände, küsste ihn. Carlo ließ sie los, und während sie sich küssten, zog er sich den Mantel aus, ohne ihren Mund für einen Moment zu verlassen. Auch sie wand sich küssend aus der Jacke. Auch wand sie sich aus ihrem Körper. Sie fuhr aus ihrem Körper hinaus und hinauf und hatte fortan den Eindruck, sich von außen zu betrachten, von außen oben auf Betty Morgenthal hinabzusehen und über dieselbe den Kopf zu schütteln.
    Sie sah, wie sie sich von Carlo löste, wie sie aufstand und zum Bett hinüberging, wo sie sich ausziehen wollte, was alleine jedoch schwierig war, da der Reißverschluss hinten am Kleid saß.Sie sah, wie er ihr half. Und gleichzeitig aber fühlte sie seinen schnellen Atem im Nacken, seinen Körper, seine Hände, die warm waren und über ihren Rücken liefen. Sie war doppelt anwesend. Sehend und fühlend, was sie nicht einmal als unangenehm empfand.
    Tom Holler suchte nach geeigneten Gesprächsthemen für das rothaarige Mädchen.
    Carlo drückte seine Finger in Bettys Hüfte, seine Lippen bissen in ihre Schulter. Dann drehte sie sich zu ihm um, öffnete ihren BH und streifte den, mit Bedacht gewählten, Slip herunter, fühlte, wie er an ihren Beinen hinabglitt, und stieg hinaus. Sie war froh, dass niemand Licht gemacht hatte. Carlo löste nicht den Blick von ihr, als er seinen Pullover über den Kopf zog und anfing, sein Hemd aufzuknöpfen, es mit schnellen Bewegungen aus der Hose riss. Sie legte ihre Hand auf die Wölbung an seinen Jeans, öffnete mit der einen den Gürtel, mit der anderen Hand den Reißverschluss und wunderte sich über die eigene Geschicklichkeit. Während Betty und Carlo aufs Bett fielen oder kurz danach, gab Tom dem rothaarigen Mädchen Feuer und sah ihm tief in die Augen.
    Sie schliefen nicht viel in dieser Nacht. Als sie nebeneinanderlagen und Carlo ihren Arm streichelte, hinauf bis zur Schulter und wieder hinab, und sie ihm erklärte, dass sie verheiratet sei und so weiter, schließlich liebe sie ihren Mann und so fort, dass die Arbeit nicht beeinträchtigt werden dürfe durch dies hier – (sie sagte »dies hier«, ohne dass sie »dies hier« hätte definieren können) –, hatte sie kein schlechtes Gewissen. Dies hier, was immer es war, hatte nichts mit Alfredo zu tun. Sie hätte nie gedacht, dass es so einfach sein würde. Und als sie frühmorgens noch vor dem Einsetzen des Berufsverkehrs in Carlos aufgeräumtemFiat saßen und übers Lungomare in Richtung Vesuv fuhren, während sich die glühende Sonne über den Horizont schob, so dass die Windschutzscheibe rot erleuchtet war und die See flimmerte und spiegelte im Gegenlicht, hatte sie ausdrücklich das Gefühl, am Leben zu sein. Sie war nicht alt, sie war begehrenswert, und sie wohnte am Meer.
    Tom schlief zu dieser Uhrzeit.
    Erst im Stadtteil Vomero, wo sie leise die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss und durch den kleinen Flur in die Dämmerung der Küche hineinging, in der noch niemand die Fensterläden geöffnet hatte und die Luft abgestanden war, verdickt, wie sie ist, wenn man aus einem langen Urlaub heimkehrt, schlich sich ein wurmartiges Gefühl ein, das einem schlechten Gewissen sehr nahe kam. Es nagte sich vom Magen aus hinauf in die Herzgegend. Aber es bezog sich kaum auf das, was sie mit Carlo im Hotelzimmer getan hatte, das war vergangen und konnte vergessen werden. Es richtete sich eher auf die Tatsache, dass sie ausgerechnet dieses Kleid getragen hatte. Dieses Kleid, das Alfredo liebte. Das er ihr gekauft hatte, als er sehr wenig Geld gehabt hatte. Dieses Kleid, das jetzt zerknittert an ihr herabhing und dessen Saum am Reißverschluss ausgefranst war.

DIE GUTE STUBE DER ERINNERUNG
    »Sie sind drei Schwestern. Die Trauer, die Melancholie und die Liebe – sie sind drei Schwestern und deshalb miteinander verwandt! Nah verwandt, wie es eben Schwestern sind.«
    Nebelhafter Regen hing vor den Fenstern, dahinter erahnte man die kahlen Bäume, die sich unter dem Druck des Sturmsneigten. Das Summen des Windes, das zwischen den Zähnen splitternde Shortbread und ein Klirren der Teetässchen. Heizungsluft vibrierte und nestelte an den

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