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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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Prolog
    Meine Finger sind blutrot.
    Wie in Trance führe ich sie an meine Lippen. Ein metallischer Duft geht von der Substanz aus, die meine Haut bedeckt.
    Blut?
    Die Vorstellung stört mich nicht. Nein, sie beunruhigt mich nicht einmal.
    Ich horche in mich hinein. Kein Widerhall. Es ist, als wäre ich versteinert. Aber das bin ich nicht. Ich bewege mich, ich denke. Nur fühlen tue ich nicht. Darüber muss ich lachen. Der Klang meines Lachens ist fremd.
    »Hör auf damit, Mila«, bittet eine mir vertraute Stimme.
    Ich versuche, die Stimme einem Namen oder einem Gesicht zuzuordnen, es will mir jedoch nicht gelingen. Also drehe ich mich um und halte nach ihrem Besitzer Ausschau.
    Zuerst sehe ich nur Silberstaub, überall um mich herum erfüllt er die Luft, zieht Schlieren. Dann blicke ich nach unten, sehe meine nackten Füße, die von einem blutroten Saum umspielt werden.
    Neben meinen Füßen kauert eine Gestalt. Sie hebt den Kopf. Ich erschrecke nicht, obwohl sich anstelle des Gesichts nur ein weißes Oval zeigt. Langsam strecke ich die Hand aus, meine blutüberströmte Hand, und male einen Mund und die Andeutung einer Nase auf das Oval. Bei den Augen angekommen, zögere ich einen Moment. Dann male ich sie geschlossen, denn so bleibt mir die Entscheidung erspart, eine Farbe für sie zu wählen.
    »Schlaf«, sage ich sanft zu der Gestalt.
    »Wenn ich schlafe, wirst du niemals mehr erwachen.«
    Diese Entgegnung löst eine Gefühlswallung in mir aus, so heftig wie die aufbrandende Flut. Was meint die Gestalt damit? Wovon redet sie?
    Als würde die Heftigkeit meiner Empfindung den Silberstaub aufwühlen, wallt er hoch und verdichtet sich, bis ich nicht einmal mehr meine roten Hände sehen kann.
    Nur flirrendes Silber.
    Das ist alles, was bleibt.
    ∞∞
    Behutsam zog er sich aus Milas Traumwelt zurück und die Verbindung zwischen ihnen zerriss wie ein Spinnenwebfaden.
    Es fühlte sich seltsam an, sie auf diese Weise zu berühren. Ungewohnt. Daran würde er sich erst gewöhnen müssen, und nach dem, was er soeben gesehen hatte, war die Vorstellung nicht besonders angenehm.
    Ein Blick in die Zukunft war das gewesen, da war er sich sicher.
    Dass sie so etwas vermochte … Eigentlich sollte ihn das nicht weiter überraschen, schließlich sah sie mehr als andere Menschen, auch wenn sie nicht begriff, wie viel sie wirklich sah. Noch nicht.
    Eine Zukunft aus Blut und Silber.
    Ihre gemeinsame Zukunft.

1 Momentaufnahmen
    Mila
    Ich hielt beide Hände vor meine Augen, sah meine Lebenslinie, die auf diese kurze Distanz hin ganz verschwommen war. Durch die Spalten zwischen meinen Fingern leuchtete das weiche Septemberlicht, in das unser Wohnzimmer getaucht war. Sogar einige Schemen waren auszumachen, aber die wollte ich nicht sehen, deshalb presste ich meine Finger enger zusammen. Jetzt war nichts mehr zu erkennen. Ich verharrte einen Moment und blendete die Geräusche um mich herum aus, so gut es ging, obwohl es vertraute und geliebte Stimmen waren. Dann erst ließ ich meine Hände auseinandergleiten, sodass sie sich wie ein Vorhang teilten. Bei dem Bild, das sich mir bot, begann ich zu lächeln. Vielleicht hatte ich das aber auch schon vorher getan. Gelächelt. Das tat ich nämlich bereits den ganzen Nachmittag lang. Genau wie in den letzten Tagen, seit Sam wieder ein offizieller Bewohner war von St. Martin, unserer kleinen Küstenstadt.
    Und da war er, exakt im Mittelpunkt des Bildes, das von meinen Händen umrahmt wurde: Sam. Er saß auf dem Sofa neben meinem Vater, und obwohl er sich merklich wohl fühlte, lag doch eine gewisse Anspannung auf seinen Schultern. Egal wie gut er sich mit Daniel verstand, richtig locker war er in seiner Gegenwart nicht. Daran würde sich vermutlich auch so schnell nichts ändern – der einzige Wermutstropfen bei dem Bild, das sich mir bot. Mein Vater hingegen war vollkommen in seinem Element und wedelte mit der Broschüre, die den meeresbiologischen Studiengang des Instituts beschrieb, an dem er lehrte. Rufus, der es sich auf der Sofalehne gemütlich gemacht hatte, schnappte die Broschüre und ließ sie hinter seinem Rücken verschwinden.
    »Mensch, Dad. Nun akzeptier doch endlich, dass Sam keinen Bock hat, das Abi nachzuholen. Da bringt auch dieses penetrante Rumgeprotze mit deinem Superinstitut nichts. Es ist eben nicht für alle wichtig, die Uni zu besuchen.«
    Daniel winkte ungerührt mit der Hand ab. »Du musst nicht von dir auf andere schließen. Außerdem geht es mir keineswegs darum,

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