Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
um sie herum die verstreuten Kleidungsstücke, leblose Häufchen. Im Zwielicht des Fensters stand sie, mit herabhängenden Armen, Handflächen zu ihm gedreht, mit ihren schweren Brüsten, senkrecht gestreift von einzelnen Haarsträhnen, während es an ihrem Körper vorbeischneite, und ihre Augen zitterten, und etwas wie Angst glomm darin. Er liebte sie wirklich.
Während er sich auszog allerdings, konnte er das Gefühl nicht ablegen, Volker Hermanns auszuziehen, hier in seinem Schlafzimmer, und kurz überlegte er, ob sie ihn absichtlich so verkleidet hatte. Hastig streifte er dessen weichen Kaschmirpullunder über seinen Kopf, riss dessen Hemd auf, gleichzeitig trat er zu ihr, legte seine Hand auf ihren Bauch, sank auf die Knie, küsste ihre Hüften. Er versuchte, sie ganz zuzudecken mit Küssen, damit sie nicht fröre. Dabei kippten sie auf den Fußboden, den ein weißer weicher Flokatiteppich bedeckte, und ihr Haar, um sie ausgebreitet, verschwand fast darin.
Als sie später doch im Bett lagen und er mit den Augen die Bewegungen seiner Finger auf ihrer Haut verfolgte, als müsse er sich ihrer vergewissern, da er noch immer nicht glauben konnte, dass sie nackt neben ihm und nicht verschwunden war, dass sie ihn stattdessen ansah und einfach liegen blieb, da sagte er: »Wir sollten uns duzen.«
»Wir sollten es nicht übertreiben«, sagte sie, ihr Lächeln glitzerte dunkel in den Seidenkissen, »aber von mir aus.« Sie schloss die Augen und wartete, bis er sie küsste. »Das war aber kein Bruderkuss.« Sie zeichnete mit ihrer Fingerkuppe Linien auf sein Gesicht. »Rauchst du nicht?«, fragte sie dann.
»Doch, warum?«
»Ich würde schrecklich gern eine rauchen.«
Da die verstreuten Kleider im Schlafzimmer nicht seine eigenen waren, sondern diejenigen ihres Gatten, befanden sich darin naturgemäß nicht seine Zigaretten. Also musste er ins Badezimmer hinunter und sie holen. In der Tür blieb er stehen, zögerte. »Du bleibst doch hier?«
»Natürlich«, sie lachte, als wäre seine Frage völlig abwegig, dann, plötzlich ernst: »Wo sollte ich denn hin?«
Als er mit den Zigaretten wiederkam, hatte sie Kerzen angezündet. Draußen schneite es nicht mehr. Die vom Licht der Gartenlaterne beglänzten Baumwipfel standen weiß und unbewegt im dunklen Bild des Fensters.
»Und dein Mann?« Sie lagen nebeneinander und rauchten, die Hände ineinander verkreuzt auf der Bettdecke.
»Er kommt erst morgen Mittag.«
»Wir haben Zeit bis morgen Mittag?«
Sie lächelte, blies den Rauch in die vom Kerzenschein belebte Dämmerung des Zimmers. »Ich habe ewig nicht geraucht!«
»Es steht dir.«
»Ich bin alt«, sagte sie.
Er lachte. »Du bist uralt.«
»Bald bin ich uralt, du hast recht.«
Er setzte sich auf, nahm ihr die Zigarette aus der Hand und küsste sie auf den Mund, dann auf die Nase, die Stirn. Und sie sah aus wie eine wilde Studentenführerin mit den Haarwogen auf dem Kopfkissen, mit den geschlossenen Augen, der Zigarette, die sie sich wieder genommen hatte und die nun in ihrem Mundwinkel lag, an der sie zog, dass die Glut knisterte, mit nachdenklicher Stirn.
»In hundert Jahren sind wir beide tot«, sagte Tom. Sie lachte, als hätte er einen Witz gemacht, dabei war es ja wohl eine zutreffende Feststellung. Sie streckte ihre Hand aus, weich, und streichelte ihm den Nacken. Dann lag sein Kopf an ihrer Brust, zwischen Schulter und Hals, und er roch ihren Duft, meinte immer so liegen zu können und konnte es doch nicht glauben. Wenn sie sprach, fühlte er das Vibrieren ihrer Stimme in ihrem Körper, sie redeten beide sehr leise, als hätten sie Angst, etwas mit ihren Geräuschen zu verscheuchen. Er wollte sie tausend Dinge fragen, fürchtete aber, diese empfindliche, hauchdünne, eisdünne Einvernehmlichkeit zwischen ihnen zu gefährden, zu zerbrechen, wenn er es täte.
»Warum kann es nicht immer so sein«, flüsterte er nun doch. Sie schwieg und streichelte seinen Kopf.
»Liebst du ihn noch?«, fragte er. Ihr Kinn lag an seinem Kopf.
»Wir sollten nicht über ihn reden«, sagte sie.
»Also reden wir über uns.«
»Wenn du willst.«
»Zeigst du mir deine Fotografien?«
»Ein anderes Mal vielleicht.«
»Ich würde gern alles über dich wissen«, flüsterte er.
»Man weiß nie alles über jemand.«
Sein Ohr an ihrem Herz. Sie schwiegen.
»Du hast wunderschön gespielt«, sagte sie plötzlich. »Nicht nur den letzten Satz.«
Er spürte den Impuls, sich aufzurichten, sie anzusehen, aber er blieb liegen, an
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