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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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gespielt hatte er nie wieder.

DER GESANG DER GRAUMEISE
    »Natürlich erinnere ich mich an Betty Morgenthal.«
    »Du hättest mich dalassen sollen.«
    »Was?«
    »Du hättest mich in Aschberg bei meinen Eltern lassen sollen.«
    Diedrich betrachtete lange den Fuß seines Bierglases, lächelte ihn an, wehmütig, wie das Foto einer ehemaligen Geliebten. Plötzlich, mit einer ruckartigen Bewegung, schob er das Glas von sich, es schabte über die Chromfläche des Tresens, das Bier schwappte bis zum Rand.
    »Tom Holler«, sagte er und verschob seinen Mund. Seine Augen traten heraus. »Tom Holler«, wiederholte er und schwieg, aber sein Mund vibrierte. »Wenn du nur einmal«, fuhr er fort, »ganz kurz nur, aufhören könntest, an dich zu denken.«
    Nämlich gebe es, so Diedrich nach einer Pause, in der beide still auf den Fuß ihres Bierglases hinuntergeblickt hatten, gebe es viele Dinge auf der Welt, an die man zwischendurch denken könne. »Beispielsweise«, sagte Diedrich ironisch und schien zu überlegen, indem er seine Handfläche nach oben in die Luft drehte, als erwarte er Regentropfen, solle er einmal an eine Graumeise denken, als Übung, als ein Experiment, nur um zu sehen, dass sich die Welt vielleicht nicht um ihn, Tom Holler, als ihren Mittelpunkt drehe. »Dass«, so Didi, »vielleicht auch die Graumeise denkt, dass sich die Welt um sie dreht, wie wir alle denken, dass sich die Welt um uns dreht, weil wir uns selber eben nicht sehen können.« Er hatte mit zunehmender Schärfe gesprochen. Der lange Satz war in eine Spitze gemündet, die auf Toms Gesicht zielte.
    »Hattest du was mit ihr?«, fragte Tom, indem er sich Diedrich zuwandte, aber die Augen lange schloss.
    »Was, mit Betty?«
    Statt eines Nickens schloss Tom wieder die Augen.
    »Ich …« Didi zögerte. Holte sein Bierglas heran. Wieder das Schaben. »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte er. »Kann sein, dass wir mal geknutscht haben.«
    »Du kannst dich nicht erinnern?«
    »Kannst du dich an alles erinnern?«
    »Daran schon«, sagte Tom. Der Satz war seinem Mund entwichen, ehe er ihn hatte denken können. Er schien nicht in seinem Gehirn gebildet worden zu sein, sondern direkt auf seiner Zunge. Plötzlich dachte er tatsächlich an die Graumeise. Sie saß auf einem schwankenden Ast und öffnete den gelben Schnabel. Sie sang.
    Diedrich schwieg und betrachtete ihn. Er hielt seinen Kopf schräg, leicht nach hinten geneigt, als bedürfe es eines bestimmten Winkels, einer ganz bestimmten Entfernung, um ihn richtig zu sehen, ihn scharf zu stellen oder durch die Öffnungen seiner Augen in ihn hineinzusehen. Dort verschlang die Graumeise einen Regenwurm. Gleich daneben saß Betty auf einer Picknickdecke in der Dunkelheit des Waldes.
    »Wann?«, fragte Tom. Er räusperte sich, fühlte sich überführt, aber eigentlich war er es, der die Anklage erhob, nicht Diedrich.
    »Was, wann?« Diedrich hatte ihn nicht aus den Augen gelassen.
    »Wann hast du mit ihr geknutscht?«
    »Ist das wichtig?«
    »So wichtig oder unwichtig wie alles andere auch.«
    Diedrich lächelte ihn an, wie man ein Kind anlächelt. »Ich weiß ja nicht mal, ob wir überhaupt geknutscht haben«, sagte er.
    »Aber ich weiß es«, sagte Tom. »Sie hat es mir erzählt, sie hat gesagt, dass sie mit dir geschlafen hat.«
    Diedrich senkte den Kopf, ließ ihn aber nicht aus den Augen. »Was?«
    »Ich glaube, du hast mich sehr gut verstanden«, sagte Tom und konnte sich nicht erklären, wo er dieses Lehrervokabular herhatte.
    Diedrich schüttelte den Kopf. Blickte scheinbar nachdenklich in die Luft und schüttelte wieder den Kopf. Die Locken hüpften. Duft von Haargel umgab ihn. »Und wenn es so wäre?«
    »Wann?«, fragte Tom.
    »Ich weiß es nicht, Tom. Ich kann mich ehrlich gesagt überhaupt nicht dran erinnern. Kann sein, dass wir geknutscht haben, irgendwann, in diesem Club vielleicht, keine Ahnung. Aber, hey, ich habe nicht mit ihr geschlafen.«
    »Didi, ich weiß es. Sie hat es mir gesagt.«
    »Dann hat sie eben gelogen. Oder sie hat mich verwechselt. Oder du hast was verwechselt.«
    Tom senkte das Kinn auf die Brücke seiner ineinander verschränkten Finger. Die Graumeise zwitscherte in seinem Kopf, ihre blanken Äuglein blickten flink umher. Dann stieß sie sich von ihrem Ast ab, breitete die Flügel aus und stieg in die Luft.
    »Wie sieht die Graumeise eigentlich aus? Welche Farben hat sie noch außer Grau?«, flüsterte Tom.
    Diedrich hatte ihn offenbar nicht verstanden. Neigte das Ohr.
    Tom

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