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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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sich viel im Freien aufhielt, ließ sie trotz der Wetterfalten und der Tatsache, dass ein erwachsener Komponistensohn neben ihr stand, jung erscheinen. Zwischen den übrigen Staatsanwaltsund Ärztegattinnen auf dem Land, dachte Tom, die ihre Tage damit verbrachten, Kinder zum und vom Klavierunterricht hinund zurückzufahren und die Putzfrau beim Reinigen der Innenseiten der Blumenvasen zu beaufsichtigen, musste sie eine atemberaubende Erscheinung darstellen.
    Sie möge das Stück, das er gespielt habe, sehr, sagte sie und lächelte. »Wir haben unsere Hochzeitsreise nach Portofino gemacht«, berichtete sie, als wäre sie eben erst zurückgekehrt.
    Durch die Menge auf sie zu ruderte Breitenbach, der sich bis dahin alleinstehend an einem der Stehtische aufgehalten hatte. Er trug ein Glas Orangensaft vor sich her wie einen Kerzenleuchter. Ein karierter Wollschal baumelte schief über die Schulter.
    Das Glas stellte er auf ihr Tischchen, so schwungvoll, dass ein Teil des Saftes auf die Plastikdecke schwappte, was ihm aber entging, als er seinen Oberkörper straffte und sagte, er wolle nicht stören, wolle sich nur kurz verabschieden. Seine Hände aber schnellten plötzlich nach vorn und packten Marcs Rechte, die er lange und wortlos schüttelte, indem sich sein Gesicht in merkwürdiger Weise verformte, einen Ausdruck annahm, der wacklig zwischen Augen und Mund herumbalancierte, weil offenbar auf schmalem Grat zwischen Glück und Traurigkeit unterwegs, und auch Toms Hand wurde dann ergriffen und lange geschüttelt und abrupt wieder losgelassen, bevor sich der Professor auf die Zehenspitzen erhob und mit dem weißen Zeigefingerunter die Brillengläser fuhr und dabei mehrere Male fest blinzelte.
    »Tja«, sprach er und blickte zum Fußboden hinab. »Genau das ist es, nicht wahr? Materie und Geist. Die uralte Frage, die einzige vielleicht von Relevanz, wie verwandelt sich eines in das andere? Wie wird die Materie zu Geist, und wo aber entspringt das andere des Geistes, das Gefühl …?«, fragte er allgemein und blickte jetzt über die Anwesenden hinweg, lächelte dann wehmütig, bevor er im Rezitationston seine Stimme erhob: » Und süß ist der Schiffbruch mir / in diesem Meer , nicht wahr?« Er sah auf Tom wie auf einen Komplizen, mit den riesig schimmernden viereckigen Augen der Brillengläser. Und wieder streckte er die Hände und schüttelte die ihren mit aufeinandergepressten Lippen, so als wollte er noch vieles mehr sagen, verböte es sich aber, und wandte sich ab, um eilig davonzugehen, während der karierte Schal weit über seinen Rücken hinabbaumelte. Marc und Tom sahen ihm noch lange nach.
    Viele weitere Hände wurden an diesem Abend von ihnen geschüttelt. Diejenigen eines Stiftungsvorsitzenden, die schmal und gebräunt waren, mit dunkleren Flecken darauf und einem dünnen Eheringchen. Journalistenhände, festere und weichere, deren Besitzer Marc über Alter und Herkunft ausfragten. Weiterhin waren da Hochschulprofessorenhände, deren Eigentümer zumeist sehr leise sprachen, manchmal einen scharf ausrasierten Kinnbart in Schwarz hatten, manchmal einen rostroten Vollbart. Dies war Marcs Kompositionslehrer Duchamps, welcher immer, egal, zu welchem Anlass, eine gesteppte ärmellose Weste trug, als ein Fanal der Überlegenheit Neuer Musik gegenüber den Niederungen der Äußerlichkeit. Tom ließ er links stehen und liegen. Außerdem waren da und kamen und gingenführende Gema-Funktionäre mit ihren hochbeinigen, meist dunkelrot gefärbten Gattinnen, die den rehäugigen Pianisten als den einzigen Lichtblick in diesem freudlosen und definitiv zu langen Konzertabend betrachteten. Eine der Ehefrauen sagte es Marc mit einem perlweißen Strahlen auch mitten in das Gesicht: »Ihr dritter Satz, herrlich!«, und ihr Ehemann lächelte irritiert.
    Als Tom sich einmal in Richtung Toilette entfernte, stellte er fest, dass er alleine von niemandem angesprochen wurde, worüber er froh war. Er kehrte also mit seinem Sekt nicht zu Marc zurück, sondern begab sich etwas abseits an einen Stehtisch, an dem bereits Lisa Baldur, Ulrich und der Finne in ein Gespräch vertieft waren. Man sprach über Trolle.
    »Die Trolle leben in die Tiefe dem See«, erklärte der Finne. »Sie sind untern Unterbewusstsein. Sie leben in dem See in unteren tiefen Abgründen der Seele.« Frau Baldur nickte. Tom fragte sich, ob es am Alkohol lag oder ob der Finne immer so sprach, mit ausuferndem Mund, der eigenartige Schlangenlinien in seinem Gesicht

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