Die Orestie
Herzen diese meine Wunden an!
Denn Schlaf im Auge, bleibt der Sinn euch hell und wach,
Doch über Tag ist Menschenjagen euer Los!
Habt ihr bereits doch vieles schon von mir empfahn,
Weinlose Spenden, nüchtren, hilfeflehnden Gruß
Und mitternächtig stilles Mahl am Herd der Glut
In eurer Stunde, keinem Gott mit euch gemein.
Das alles, seh ich, schnöd in den Staub getreten wird's –
Und er entrinnt euch, flüchtig, einer Hindin gleich,
Und gar aus eures Garnes Mitten ist er leicht
Entsprungen, blickt hohnlachend nun auf euch zurück!
Vernehmt, was ich von meinem Geist zu euch gesagt,
Bedenkt es wohl, Göttinnen ihr des Totenreichs!
Es ist das Traumbild Klytaimestra, die euch ruft!
Stöhnen des Chors.
Wohl stöhnt ihr; euch entflieht er fern und ferner schon,
Mir Mißgesinnten, schutzgewärtig geht er hin!
Stöhnen des Chors.
Du schläfst so fest noch, dich erbarmt nicht meine Qual,
Und mein, der Mutter, Mörder Orestes, er entkommt!
Geheul des Chors.
Du heulst? du schläfst noch? Raffst dich eilig nicht empor?
Was sonst ist dein Amt, wenn du Jammer nicht verhängst?
Geheul des Chors.
Schlafsucht und Mühsal, schnöde Bundverschworene,
Euch grausen Drachen haben sie die Kraft gelähmt?
CHOR.
Faß ihn! Faß ihn! Faß ihn! Faß ihn! Hetz!
KLYTAIMESTRA.
Im Traum verfolgst du dein Gewild, schlägst wie ein Hund
Laut an, der niemals seines Dienstes Sorge läßt!
Du säumst? Empor spring! Mühe mach dich nimmer feig;
Auch das vergiß nicht, welchen Schaden Schlaf dir schafft!
Mit gerechter Reue geißle deine Nieren wund,
In heißem Antrieb stachle selbst dich wieder auf!
Auf! Deines Mundes jähen Bluthauch stürm ihm nach,
Hindörr in Glut ihn, in der Eingeweide Brand,
Nach jag ihm, hetz in wiederholter Jagd ihn tot!
Verschwindet.
CHOR
wild durcheinander.
Erweck, erwecke diese du, ich wieder dich.
Schläfst du? Erheb dich! Stoß den Schlaf von dir hinweg!
Nachsehen laßt uns, ob ihr Reden uns betrog!
Sie stürzen aus dem Tempel hervor.
Erste Strophe
Hohu! wehe! ho! Müssen es leiden, o!
Und vieles schon erlitt ich, und ich litt umsonst!
Müssen erleiden hie Schmähliches! Leiden o
Ein unsäglich Weh.
Aus sichrem Garn entsprungen, flieht mein Wild hinweg!
Vom Schlaf erdrückt, büß ich ein meinen Fang!
Erste Gegenstrophe
Hohu! Sohn des Zeus! Bist ein verschmitzter Dieb!
Uns greise Götter überrennst du, junger Gott!
Daß du den Flüchtling ehrst, Schuldigen! Ihn beschützt,
Den schamlosen Sohn!
Den Muttermörder stahlst du uns, und bist ein Gott!
Wer sagte, das sei gerecht je getan?
Zweite Strophe
Es hat der Vorwurf, den der Traum ins Ohr mir schrie,
Dem Roßlenker gleich mich aufgepeitscht,
Blutigen Geißelhieb in Herz und Mark gepeitscht!
Der Marterknecht meiner Reu,
Wie er mich trifft, wie er mich stäupt,
Durchschauert mich Grausen, entsetzliches, mich!
Zweite Gegenstrophe
Und das bereiten jene neuen Götter uns,
Die Macht üben über alles Recht!
Mordesbespritzter Sitz, zu Haupt und Fuß bespritzt
Ist jetzt der Erdnabel dort;
Blutige Schuld, schuldiges Blut –
Das verruchteste nahm ja beschützend er auf!
Dritte Strophe
Mit solchem Blutgreul, Seher du, an deinem Herd
Schändest dein Haus du selbstwilligend, selbstberufend,
Weil du die Menschen ehrst wider der Götter Recht,
Der Moiren Macht, der uralten, brichst!
Dritte Gegenstrophe
Mir wirst verhaßt du und erlösest den doch nie!
Flöh er zum Hades auch, nimmer doch wird er uns los!
Wie er den Mord beging, also dem Rächer auch
Fällt er mit seinem Haupt dort anheim!
APOLLON
aus dem Tempel tretend.
Hinaus! befehl ich; dieses Tempelhaus verlaßt
Sogleich, hinwegzieht aus des Sehers Heiligtum,
Eh diese zischende schnellbeschwingte Schlange dich
Von meines Bogens goldgeflochtner Senne trifft,
Vor Schmerz du ausströmst schwarzen menschentsognen Schaum,
Geronnen Blut ausspeiest, das du bei Mord geleckt!
Fort! Meiner Wohnung dürfet ihr nicht nahe sein!
Nein, da, wo mörderköpfendes, augauswühlendes
Gericht, wo Totschlag, wo der Knab in geiler Lust
Verspritzt den eitlen Samen, wo Entmannete,
Steintodverdammte, unter qualvoll wildem Schmerz
Rückgratdurchspießte jammern! Habt ihr nun gehört,
Um welche Festlust, dran ihr euch ergötzt, verhaßt
Den Göttern ihr seid? Gleiches zeigt auch euer Leib;
Denn solche Scheusal' müssen in des blutleckenden
Leun Höhle hausen, nicht in
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