0798 - Der Hausmeister
Ewald, der Hausmeister, stand am Fenster. Im Hintergrund weinte die zehnjährige Dinah, die er gefesselt hatte. Um das Kind kümmerte er sich nicht, sein Interesse galt einzig und allein der Außenwelt.
Um nach draußen schauen zu können, hatte er die Gardine ein wenig zur Seite geschoben. Die Lücke reichte aus, um einige der Polizeiwagen zu sehen, die die Schule umstellt hatten.
Die Beamten waren ihm nach langen Recherchen auf die Spur gekommen, und der Hausmeister wusste, was das bedeutete. Sie würden ihm den Prozess machen und ihn wahrscheinlich in eine geschlossene Anstalt stecken. Er würde dahinvegetieren und von der Außenwelt nichts mehr mitbekommen.
Ewald verzog das Gesicht, grinste böse. In seinen Augen schimmerte es, als hätten Eiskörner ihren Platz dort gefunden. Ewald ballte seine dicht behaarten Hände zu Fäusten, dass die Knöchel scharf hervortraten. Diese Hände hatten getötet, und es hatte ihm gut getan. Sollten sie denn bald Gitterstäbe umklammern?
Der Hausmeister stöhnte auf, als er daran dachte. Nein, das wollte er nicht. Auf keinen Fall sollten sie ihn fangen. Alle anderen ja, nur nicht ihn.
Noch trauten sie sich nicht in seine Nähe. Sie wussten ja um seine Geisel. Er kicherte, als er daran dachte. Dieses Leben passte überhaupt nicht zu dem Mann mit der mächtigen Gestalt. Manche beschrieben ihn auch als vierschrötig. Sein blondes Haar lag dünn auf dem ziemlich flachen Kopf. Er hatte eine breite Stirn, blaue Augen, blasse Brauen bildeten Bögen darüber, eine kleine Nase, deren Flügel zu den Seiten hin abstanden, und ein kurzes, aber kräftiges Kinn.
Dazu der muskulöse Körper, dessen Masse nicht so stark auffiel, weil Ewald als Hausmeister oft einen Overall trüg. Viele Schüler hatten ihn nie in einer anderen Kluft gesehen. Er hatte es auch verstanden, das Vertrauen der Jungen und Mädchen zu wecken. Welch eine Bestie sich hinter dieser zumeist freundlichen Fassade verbarg, das war den meisten – auch den Erwachsenen – entgangen.
Jetzt aber waren die Taten aufgeklärt, und Ewald würde aus dieser Falle nicht mehr entwischen.
Dinah weinte wieder.
Diesmal machte es ihn wütend. Er ließ den Rand der Gardine los, sie schwang wieder zurück, er drehte sich um und schaute das blonde Mädchen böse an. »Halt dein Maul, verdammt!«
Die Kleine saß auf einem Stuhl. Sie war an das Möbelstück gefesselt. Die dicken Stricke umgaben ihren Körper wie erstarrte Schlangen. Das Gesicht war verquollen, Flecken zeichneten sich auf den ansonsten blassen Wangen ab, die Nase lief. Immer wieder leckte Dinah die Tropfen mit der Zungenspitze weg.
»Lass mich laufen – bitte.«
»Nein!«
»Was habe ich dir getan?«
Ewald ging zwei Schritte vor. Seine Gestalt nahm das Blickfeld des Mädchens ein. Er wirkte plötzlich wie ein mächtiger Riese, der das gesamte Zimmer ausfüllte und Dinah im nächsten Augenblick erdrücken konnte. Sie spürte die Angst, sie hätte am liebsten geschrien, traute sich aber nicht.
Trotz ihrer jungen Jahre wusste sie, dass Schreckliches geschehen war. Man hatte in der Schule von den Taten gesprochen, es hatte auch immer wieder in den Zeitungen gestanden, aber in Dinahs Alter setzte man sich nicht mit dem Tod auseinander.
Aus der Tiefe drang die scharfe Stimme zu ihm hoch. Sie war durch einen Lautsprecher verstärkt worden und schien an der Außenwand des Hauses in die Höhe zu kriechen. »Ihre letzte Chance! Kommen Sie raus! Geben Sie das Kind frei!«
Ewald lachte. Was sich diese miesen Typen überhaupt einbildeten!
Das kam überhaupt nicht in Frage. Nichts würde er freigeben, gar nichts. Weder das Mädchen noch sich selbst. Er reagierte auf seine Art. In der Ecke neben dem Waschbecken des Dachzimmers hatte er seine Waffe abgestellt. Es war eine doppelläufige Schrotflinte. Es hatte ihn Mühe gekostet, sie zu besorgen, denn er hatte sich auf ein bestimmtes Modell festgelegt, und er hatte dessen Läufe verkürzt, um die Streuwirkung der Waffe noch zu erhöhen. Wer ihm an den Kragen wollte, würde es mit ihm zu tun bekommen. Es lag genügend Munition bereit, um einige Bullen in die Hölle zu schicken, eingehüllt in Rauch und Feuer und von der Ladung zerrissen.
Nichts würde er sich gefallen lassen, gar nichts.
Beide Läufe waren geladen. Die restlichen Patronen fanden in den Taschen seines Overalls Platz, und ein scharfes Grinsen zeichnete sein Gesicht.
Neben Dinah blieb er stehen.
Die Kleine hatte den Kopf gedreht und schielte zu ihm hoch. Seine
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