Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks
sorgenumwölkte Stirn Farawyns des Weisen geschmückt hatte.
»Frevel!«, schrie Alannah, und es war nichts Sanftes mehr in ihrer Elfenstimme. »Ein Unhold trägt die Zier des Elfenreichs!«
»Nicht schlecht, was?« Rammar lachte laut. »Und weißt du, was das Beste daran ist, Elfenweib? Du selbst hast Schuld, denn ohne deine Hilfe hätten wir diesen Ort niemals gefunden!«
Alannahs entsetzter Schrei ging in ein Ächzen über, denn sie wusste nur zu gut, dass der Ork Recht hatte.
Es wäre nie so weit gekommen, hätte sie nicht ihrer unermesslichen Selbstsucht nachgegeben, hätte sie nicht alles verraten, was in ihrem Leben bis dahin wichtig gewesen war, nur um ihre leichtfertige Abenteuerlust und ihre kindliche Neugier zu befriedigen. Was hatte sie nur geritten, den Tempel von Shakara zu verlassen? Warum, in aller Welt, hatte sie den Orks bei der Flucht geholfen? Was war es nur gewesen, das sie gedrängt hatte, der Legende von Tirgas Lan auf den Grund gehen zu wollen, statt einfach das zu tun, was sie dreihundert Jahre lang getan hatte, nämlich widerspruchslos dem Protokoll und der Tradition zu folgen?
Warum hatte sie gezweifelt? Sie hatte keinen Grund dazu gehabt. Alles hatte sich als wahr erwiesen, war genau so, wie es in den Büchern der Geschichte geschrieben stand. Farawyn hatte die Wahrheit verkündet, mit jedem einzelnen Wort. Aber in ihrer Selbstverliebtheit hatte Alannah dies alles verraten – das wurde ihr in dem Augenblick klar, als sie den widerwärtigen fetten Ork mit der Elfenkrone sah.
Der schändliche Frevel blieb jedoch nicht ohne Folgen.
Rammar sprang noch immer auf dem Gipfel des Goldbergs herum und gebärdete sich wie von Sinnen, als plötzlich ein Rumoren erklang, das aus den Tiefen der Welt zu kommen schien. Die Schatzkammer erbebte, und Rammar verlor das Gleichgewicht. Erschrocken schrie er auf und purzelte kreischend und sich überschlagend den Goldberg hinab, während es um ihn herum klimperte und klirrte. Zwischen Münzen und Geschmeide und zwei goldenen Götzenstatuen, die einst eine längst untergegangene Rasse als Tribut an das Elfenreich entrichtet hatte, bleib er liegen. Die Krone hatte er verloren.
»W-was war das?«, fragte er verblüfft.
»Der Fluch«, antwortete Alannah, und obwohl sie leise sprach, hallten ihre Worte von der Kuppeldecke wider, so still war es auf einmal geworden. Jeder hatte sie gehört; auch Corwyn und Balbok starrten sie verdutzt an.
»Welcher Fluch?«, keuchte Rammar.
»Frevlerhände haben nach der Krone Sigwyns gegriffen. Eine solche Untat kann nicht ungesühnt bleiben.«
Wie um die Worte der Elfin zu bestätigen, durchlief ein weiterer Erdstoß die Schatzkammer. Diesmal war er noch heftiger, und ein Fauchen und Schnauben erklang, das aus tiefsten Tiefen zu kommen schien und schlagartig alle Reichtümer vergessen ließ.
»Was ist da los?«, wollte Corwyn wissen.
»Etwas ist erwacht«, antwortete Alannah mit bebender Stimme. »Etwas Dunkles, Schreckliches, das besser weitergeschlafen hätte.« Dann schrie sie: »Wenn euch euer Leben lieb ist, dann flieht!«
»Was? Ich soll fliehen?«, rief der Kopfgeldjäger. »Aber ich habe mir noch nicht mal alle Taschen gefüllt und …«
»Bleib und stirb – oder flieh und lebe!«, schrie die Elfin. »Es ist deine Entscheidung, du Narr!«
Für einen Augenblick standen der Kopfgeldjäger und die beiden Orks unentschlossen da, tauschten verwirrte Blicke. Dann aber zwinkerte Rammar seinem Bruder zu – und sie waren sich sofort einig darin, was zu tun war: Schon als der Kopfgeldjäger sie, Rücken an Rücken gefesselt, durch die Ausläufer des Scharfgebirges getrieben hatte, hatten die beiden Orks einen Plan gefasst, und die Zeit war gekommen, ihn in die Tat umzusetzen!
Rammar hob den saparak, Balbok, der sich ein Dutzend prächtiger Perlenketten um den langen Hals gewickelt hatte, griff mit goldberingten Fingern nach dem Bogen, und ehe Corwyn sich's versah, zeigten die Spitzen eines Orkspeers und eines Pfeils auf ihn.
»W-was soll das?«, stammelte er.
»Was wohl?«, entgegnete Rammar grinsend. »Glaubst du im Ernst, wir würden den Schatz mit dir teilen? Wir sind Orks – und Orks teilen nicht, wenn sie alles haben können!«
Corwyn starrte Rammar gehetzt an. »Habt ihr denn nicht gehört, was Alannah gesagt hat? Dort unten in den Tiefen ist irgendwas erwacht, und wir müssen fliehen, wenn es uns nicht vernichten soll.«
»Ha!«, stieß Rammar hervor, und seine blutunterlaufenen Augen leuchteten
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