Die Orks 02 - Der Schwur der Orks
anzugrinsen – in Wirklichkeit überdeckte er damit nur das Entsetzen, das er empfand.
»Die Spitzen unserer Speere werden dich verletzen, aber nicht töten«, kündigte Zara an. »Anschließend werden wir dich zum See bringen, wo zur Nachtzeit Blutfische nach Beute jagen. Sie werden dir ganz langsam das Fleisch von den Knochen nagen, dass du vor Schmerzen den Verstand verlierst. Aber das ist erst der Anfang, denn wenn die Blutfische mit dir fertig sind, werden wir dich an einen der Bäume hängen, wo sich die Ameisen an dir gütlich tun werden. Und danach …«
Plötzlich unterbrach sie sich und legte den Kopf schief, als würde sie angestrengt lauschen.
»Was ist, Tochter von Amaz?«, erkundigte sich eine ihrer Kriegerinnen besorgt. »Ist alles in Ordnung?«
Zara zögerte. »Ich denke schon«, sagte sie dann. »Für einen kurzen Moment glaubte ich nur, etwas zu spüren. Etwas, das ich noch nie zuvor …« Sie verstummte erneut und hielt kurz inne, ehe sie sich wieder dem Gefangenen zuwandte. »Dein Ende wird furchtbar sein, Zwerg«, sagte sie unerbittlich, »aber so ergeht es allen, die Bunais Böses wollen und …«
»So ein Blödsinn!«, ereiferte sich Orthmar von Bruchstein, weniger aus Mut denn aus purer Verzweiflung. »Er ist nicht Bunais, sondern nur ein bescheuerter Ork! Ein Unhold, versteht ihr? Ein stinkender Nichtsnutz aus der Modermark, der in seinem ganzen verkommenen Leben noch nie etwas Gutes getan hat!«
»Im Gegensatz zu dir, willst du wohl sagen?«, fragte Zara höhnisch.
»So ist es! Ich bin eine Zier meiner Rasse und habe noch niemals jemandem etwas zu Leide getan. Das alles ist ein großes Missverständnis – aber das werdet ihr wohl erst begreifen, wenn es zu spät ist.«
»Zu spät für dich jedenfalls«, entgegnete die Anführerin der Amazonen kaltschnäuzig, dann nickte sie ihren Kriegerinnen zu, die daraufhin mit erhobenen Speeren vortraten und den waffenstarrenden Kordon um von Bruchstein enger zogen. »Fangt an, Schwestern – für Bunais und Amaz!«
»Für Bunais und Amaz!«, echote es reihum, und von Bruchstein war klar, dass er keine Gnade zu erwarten hatte.
Nach so vielen Abenteuern, bei denen es ihm immer wieder gelungen war, im letzten Moment den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, gab es diesmal keine Rettung.
Oder?
Plötzlich glaubte auch der Zwerg etwas zu spüren – eine dunkle Präsenz, die schier überwältigend war.
Im nächsten Moment gellte ein Schrei durch die mondbeschienene Nacht, so schrill, dass er selbst die wilden Kreaturen des Waldes vor Entsetzen verstummen ließ.
Die Amazonen standen starr, dann tauschten sie verwirrte Blicke.
»Dort!«, rief eine von ihnen und deutete zum Himmel – und aus der Schwärze der Nacht stürzte ein grässlicher Schatten. Es war ein riesiger Vogel – und doch auch nicht. Denn unterhalb der Schwingen, die der einer Fledermaus glichen, ringelte sich der Körper einer Schlange, und die Augen des unheimlichen Wesens glühten rot.
Ein Basilisk!
Zum ersten Mal in ihrem Leben sah Zara eine jener Kreaturen, die sie bislang nur aus Erzählungen kannte, und als der Basilisk in steilem Flug herabstürzte, schaute sie ihm direkt ins schreckliche Antlitz – und erstarrte.
Ihr Körper schien zu Stein zu werden, und sie war nicht mehr in der Lage, sich zu rühren. Weder konnte sie die Flucht ergreifen noch ihren Speer heben – alles, was sie tun konnte, war schreien.
Vielen der Kriegerinnen erging es ebenso. Panik brach auf dem Dorfplatz aus, während das Ungeheuer mit weit aufgerissenem Schnabel herabstürzte, als wollte es über seine wehrlos gewordenen Opfer herfallen – aber das tat es nicht.
Im letzten Moment schlug der Basilisk mit den krallenbewehrten ledrigen Schwingen, flog knapp über die Köpfe der zu Tode verängstigten Amazonen hinweg, und so plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand der Schlangenvogel auch wieder. Wenn die Kriegerinnen jedoch glaubten, es damit überstanden zu haben, irrten sie – denn auf einmal öffnete sich der Boden ringsum.
Noch immer unfähig, sich zu rühren, beobachtete Zara, wie sich die feuchte Erde des Waldes an einigen Stellen zu heben begann und aufbrach, als würde etwas mit Urgewalt an die Oberfläche stoßen. Im nächsten Moment erschienen knochige Hände im Boden, schartige Säbel und Schwerter umklammernd.
»Bei Amaz und Bunais!«, brüllte jemand. »Was ist das?«
Den Knochenhänden folgten Arme, von denen ebenfalls nur noch wenig mehr als bleiche Gebeine
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