Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
Palast von Crysalion.«
»D-du willst den Palast angreifen?« Der Pirat wurde noch bleicher.
»Warum nicht?«, fragte Rammar lapidar. »Dort gibt es mehr Beute, als irgendeiner von euch tragen kann.« Er machte eine wegwerfende Klauenbewegung. »Und die Schmalaugen, die den Zaster bewachen, sind Jammerlappen. Von denen ist keine Gegenwehr zu erwarten.«
»M-meinst du?« Rammar war nicht sehr gut darin, die milchgesichtigen Mienen von Menschen zu deuten. Aber die Gier in Cassaros Blick konnte selbst er deutlich erkennen, ebenso wie das begehrliche Zucken der Mundwinkel.
»Aber ja«, versicherte er deshalb. »Beute, so weit das Auge reicht. Denk doch mal nach: Seit Jahrhunderten, vielleicht sogar schon seit Jahrtausenden, kommen die Schmalaugen hierher, um bis in alle Ewigkeit hier zu leben. Was würdest du mitbringen, wenn du vorhättest, derart lange zu bleiben?«
»Mein Gold«, antwortete der Pirat ohne Zögern.
»Eben. Und was glaubst du, was dort in den Schatzkammern lagert? Ich meine, aus jenen Jahren, da es noch keine Seeräuber gab, die den Ankömmlingen ihre Habe abnahmen?«
»Gl-glaubst du wirklich?«, stammelte Cassaro, und Rammar bejahte abermals im Brustton der Überzeugung, auch wenn er in Wahrheit keine Ahnung davon hatte.
Sein Anliegen war es nicht, den Piraten reiche Beute zu verschaffen, sondern sich an den Schmalaugen zu rächen, die seinem Bruder und ihm so übel mitgespielt hatten. Zudem waren die Grauhäutigen keineswegs Jammerlappen, sondern erbitterte Krieger, die es an Brutalität und Grausamkeit sogar mit einem Ork aufnehmen konnten. Aber Cassaro brauchte nicht alles zu wissen, es hätte ihn nur entmutigt – und das wäre schlecht gewesen für Rammars Pläne.
Die Idee, Elfen und Menschen gegeneinander auszuspielen und dabei selbst der lachende Dritte zu sein, war ihm schon im Kerker gekommen, aber da hatte er noch nicht gewusst, wie er sie verwirklichen sollte. Seit Balbok und er aber Mitglieder der Piratenbruderschaft geworden waren, lief alles zu seiner vollsten Zufriedenheit.
»Ein wagemutiger Plan«, befand Cassaro zögernd.
»Ohne Wagnis kein Gewinn«, entgegnete Rammar achselzuckend. »Oder willst du mir erzählen, dass du dich vor den Schmalaugen fürchtest, Herrscher der Schädelküste?«
»Natürlich nicht!«, behauptete der Piratenhäuptling ebenso rasch wie pikiert. »Du kannst von Glück sagen, dass ich heute großmütig aufgelegt bin. An einem anderen Tag hätte ich dir für eine solche Bemerkung die Zunge herausgerissen!«
»Sehr lobenswert«, meinte Rammar, »aber ich wollte dich nicht beleidigen, Käpt'n. Ich wollte dir nur sagen, was du alles erreichen kannst. Eine ganze Insel wartet darauf, von dir erobert zu werden. Diese Höhlen hier« – er machte eine ausladende Krallenbewegung – »sind eines Herrschers deiner Größe unwürdig. Mit weniger als dem Palast von Crysalion solltest du dich nicht zufriedengeben.«
»Hm«, machte Cassaro, während ein geschmeicheltes Lächeln seine Züge umspielte. »Du weißt offenbar, welchen Tonfall man gegenüber seinem Kapitän anzuschlagen hat.«
»Nicht nur das«, sagte Rammar, »ich weiß auch, was gut für meinen Kapitän ist. Hör auf mich, Käpt'n, und ich verspreche dir, dass du schon bald auf dem Thron von Crysalion sitzen und ein waschechter König sein wirst.«
»Das bin ich schon jetzt – der König der Piraten!«
»Ein schöner König!«, frotzelte Rammar. »Dein Reich besteht aus ein paar Felsenlöchern, und deine Untertanen sind eine Bande saufender Mordbrenner. Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass du zu Höherem berufen sein könntest?«
»Nein«, gestand Cassaro offen.
»Du verschwendest hier dein Leben, dabei könntest du so viel mehr erreichen …«
Erneut sah Rammar dieses eigentümliche Funkeln in den Augen des Piratenhäuptlings, und er wusste, dass er gewonnen hatte. Die Menschen mochten viel auf ihre Moral geben und immer wieder betonen, wie frei im Geiste und einzigartig sie doch waren. Aber wenn es um Reichtum und Macht ging, handelten sie nicht anders als jeder vernünftige Ork.
Der Pirat nickte langsam. Geräuschvoll holte er Luft und war drauf und dran, Rammars Plan seine Zustimmung zu geben – als neben seinem Thron eine Gestalt auftauchte. Sie war bleich und schmalgesichtig und hatte, wie der Ork fand, etwas von einem Fisch, was zum einen daran liegen mochte, dass der Kerl einen Schuppenpanzer trug, zum anderen aber auch damit zu tun hatte, dass der Mund des Menschen
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