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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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überhaupt existierte: eine Welt, in der sie sich um nichts zu kümmern brauchte, als ihre Violine anzusetzen und zu spielen.
    John sorgte für alles: nicht nur für die Auftrittsmöglichkeiten, sondern auch für die Konzepte ihrer Konzerte, für die Arrangements, das Orchester, das Marketing, das ganze Drumherum.
    Anfangs hatte sie gedacht, er hätte es auf sie abgesehen – auch das war so ein Klischee –, und dieser Gedanke hatte sie ebenfalls belustigt. Sie mit ihren sechsundzwanzig Jahren und er mit seinen knappen sechzig. Doch schnell wurde ihr klar, dass es um etwas anderes ging. Dass Gritti nicht sie, sondern die Musik liebte – und sich auf seine Weise damit beschäftigte. Nicht mit dem Musikinstrument in der Hand, aber als Konzernchef, dessen Geld in Elektronikunternehmen, in Plattenfirmen, in Software-Start-ups und wo sonst noch steckte.
    Mara hatte nur in seine dunklen Augen zu sehen brauchen, die das ausdrucksstarke, faltige Gesicht dominierten.
    »Ist er immer noch nicht da?«
    Fast unbewusst hatte Mara das Telefon genommen und auf die Wiederwahltaste gedrückt.
    »Ich sage dir, wenn er kommt, okay? Wahrscheinlich wird er sich sowieso sofort bei dir melden.«
    Jetzt nerv mich nicht weiter , sagte der Ausdruck in Chloes Stimme.
    Als sie aufgelegt hatte, warf sie einen Blick auf Tamara. Es war sicher nicht schlecht, sich ein wenig einzuspielen. Das bedeutete, dass es nun wirklich ernst wurde mit dem Konzert, dass die Vorbereitungen liefen. Doch alles in ihr sperrte sich gegen den Gedanken, dass sie das Konzert anging, während John noch immer auf sich warten ließ. Wo war er nur?
    Sie sollte ihn anrufen.
    Ganz einfach.
    Sie holte seine Nummer aus dem Speicher.
    The number you have called is temporarily not available …
    Sie warf sich aufs Bett und griff nach ihrem Notebook, das auf dem Nachttisch lag. Nein, sie konnte nicht an das Konzert denken. Erst, wenn alles in Ordnung war. Wenn sie mit John gesprochen hatte.
    Automatisch klickte sie das Twinworld-Symbol an. Im Hotel gab es WLAN , sie war eingeloggt, die Verbindung war ordentlich, und wenige Sekunden später spazierte ihr Avatar durch eine künstliche Landschaft: Es war ein Strand mit ein paar Pavillons, Palmen und Strandliegen. Wenn man sie aktivierte, brachte man die virtuellen Stellvertreter dazu, sich hinzulegen und sich zu sonnen.
    Maras Avatar trug einen Bikini. Sie hatte sich bei ihrem letzten Besuch hier am Strand herumgetrieben und sich eine Weile mit Deb unterhalten.
    Jetzt war außer ihr niemand auf der SIM , dem virtuellen territorialen Bereich, wo sich ihr Avatar befand. Sie aktivierte ihre Freundesliste. Deb war nicht online.
    Maras Unruhe nahm zu.
    Beruhige dich, sagte sie sich immer wieder.
    John wird schon kommen.
    Das Konzert wird gut werden.
    Immer wenn du Tamara in die Hand nimmst, geschieht das große Wunder. Immer. Du kannst sicher sein. John ist auf dem Weg zu dir. Jeden Moment ist er da. Und alles wird gut.
    Sie schloss das Programm und klappte das Notebook zu. Ein kleiner Energieschub hatte sie erfasst. Sie stand auf und griff nach der Violine. Die Beruhigung, die sie sich vorgestellt hatte, trat ein. Endlich.
    Wenn sie Tamara in der Hand hatte, spürte sie so etwas wie Geborgenheit, Wärme, Heimat …
    Sie nahm den Bogen, strich die Saiten an. Sie musste nicht einmal stimmen. Es war, als habe Tamara nur darauf gewartet, von ihr berührt und gespielt zu werden.
    Der Klang war sahnig voll und ausdrucksstark, gesanglich – als würde nicht Mara ihre musikalischen Ideen zum Ausdruck bringen, sondern als würde Tamara selbst zu erzählen beginnen. Fast unbewusst tauchte Mara in eines ihrer Stücke ein – Improvisationen über den berühmten Kanon von Pachelbel, diese kreisende Melodie ohne Anfang und Ende, bei der man den Eindruck hatte, sie sei ein Symbol der sich ewig drehenden Erde, ein Karussell, das einen ständig umgab, und wenn man die Geige nahm und zu spielen begann, sprang man an einer beliebigen Stelle auf, ließ sich eine Weile mittragen und lauschte den tiefgründigen Geheimnissen der Welt nach.
    Sie gab sich Tamaras Melodien hin, bis sie durch ein Geräusch gestört wurde. Sie setzte die Geige ab und horchte in die plötzliche Stille.
    Hatte es geklopft?
    Nein. Es war ihr Klingelton. Jemand rief an.
    JG blinkte auf dem Display.
    Plötzlich raste Maras Puls.
    Sie zwang sich, die Geige ordentlich hinzulegen. Dann griff sie zum Handy und drückte den grünen Knopf.

2
    Unvermittelt war es dunkel um ihn her. Als

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