Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
unpassenden Spitznamen »Panzerkardinal« eingetragen haben, und die acht Jahre seines Pontifikats addieren sich zu einem Kampf um den Kern des Katholizismus, so wie ihn Ratzinger verstand. Ein Glaube an ewige Wahrheiten, der nicht nur aus göttlicher Offenbarung gespeist wurde, sondern auch aus der Vernunftlehre antiker griechischer Philosophen und römischem Rechtsempfinden. In einem Interview von 1984 hat er einmal erklärt, viele Katholiken hätten sich von einem engen, nach innen gerichteten Christentum ab- und einer unkritischen Offenheit für die Welt zugewandt. Und natürlich waren daran der Umbruch von 1968 und die Universitäten schuld. Sie hätten eine »neue gebildete Bourgeoisie hervorgebracht mit einer radikal-liberalen Ideologie von individualistischem, rationalistischem und hedonistischem Charakter«. Da kamen alle benediktinischen Gespenster in einem Satz zusammen.
Es war ein europäischer Katholizismus, den Ratzinger da predigte. Deshalb hat er sich so vehement wie vergeblich dafür eingesetzt, dass ein Gottesbezug in die europäische Verfassung müsse, und hat gewarnt davor, die muslimisch geprägte Türkei in die EU aufzunehmen. Europa, das war der Kontinent, den er von Neuem evangelisieren wollte, wofür er, eine der wenigen bleibenden Neuerungen seiner Amtszeit, eine eigene Behörde im Vatikan einrichtete. Und diese Konzentration auf den alten Kontinent enthielt auch eine Provokation für den Rest der Welt.
Deshalb war die Regensburger Rede auch kein Zufall, keine bloße Ungeschicklichkeit. Es hat Experten gegeben, die den Text vorher kannten und den Papstsprecher darauf hingewiesen hatten, dass Benedikts Worte Ärger verursachen würde. Regensburg war ein typisch ratzingerscher Rundumschlag. Es ging gegen alle, die nicht seiner Überzeugung waren, dass es »Gottes Wesen widerspricht, nicht vernunftgemäß zu handeln«. Auf den Gott Mohammeds treffe dieser Grundsatz nicht zu, glaubt nicht nur der Papst. Für Muslime ist Gott absolut transzendent, sein Wille absolut frei, nicht an menschliche Vorstellungen gebunden.
Laut Benedikt trifft ein solches Gottesbild aber nicht nur für Muslime zu, auch der Gott der deutschen Reformatoren war, lehrt der Papst, ein transzendenter Gott. Luther & Co. hätten ihn eingeengt gesehen in die philosophischen Systeme des antiken Griechenlands und hätten dagegen die Rückbesinnung auf die Bibel und nur auf die Bibel gefordert. Kein Mensch könne Gott Vorschriften machen. Der deutsche Philosoph Immanuel Kant habe schließlich die Symbiose von Glaube und Vernunft, auf die sich Ratzingers Katholizismus gründet, weiterhin erschüttert, als er lehrte, dass rationales Denken und Glaube unvereinbar seien.
Es geht hier um mehr als einen theologischen Diskurs um die Gefahren einer »Enthellenisierung« des Glaubens, was das eigentliche Thema der Regensburger Rede war. Es geht um das Zusammenleben der Menschen und das Verhältnis der Religionen zueinander. Bereits als Präfekt der Glaubenskongregation hat Ratzinger sein letztes Wort dazu abgegeben, und zwar in der Erklärung »Dominus Iesus« aus dem Jahre 2000.
Dieses Dokument richtete sich vornehmlich gegen jene modernen Theologen, die davon ausgingen, dass nicht nur das Christentum im Besitz ewiger Wahrheiten sei, sondern nichtchristliche Religionen ebenfalls. Eine solche Ansicht sei, so das schroffe Nein aus Rom, mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar.
Wer »Dominus Iesus« kannte, den konnte das Pontifikat Benedikts nicht überraschen. Schon in der Erklärung war eine Rangfolge der Nähe zur katholischen Kirche festgeschrieben. Deswegen suchte Benedikt XVI . am intensivsten das Gespräch mit solchen Christen, die laut Erklärung »echten Teilkirchen« angehören. Dazu zählten nicht nur die orthodoxen Kirchen Osteuropas, sondern selbst Splittergruppen wie die Fundamentalisten der Piusbruderschaft.
Auch dass die Verständigung mit den protestantischen Christen unter der Ägide Benedikts nicht weiter vorangetrieben wurde, ist im Lehrschreiben von 2000 vorgezeichnet. Es spricht dem Protestantismus ab, eine vollwertige Kirche zu sein und billigt den Lutheranern oder Calvinisten lediglich zu, dass sie kirchliche Gemeinschaften bilden. Das kann sich laut Kirchenlehre nicht ändern, solange die Reformierten den Primat des Papstes nicht anerkennen.
Für das Verhältnis zu Religionen, bei denen es keine theologischen Verbindungen zum Katholizismus gibt, Religionen also, die laut »Dominus Iesus« »Lücken,
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